AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN
mit Pool benutzen. Das Schwimmbecken wird eine wichtige Rolle spielen. Denn dort krault eine attraktive brünette Frau einige Längen. Ihr ist im britischen Sommer so heiß, dass sie selbst im Wasser keinen Badeanzug tragen will. Christine Keeler, ein wenig euphemistisch als Mannequin beschrieben, planscht nackt im Pool.
Dr. Ward und seinen Freunden gefällt das. Von dieser netten Szene angezogen, nähert sich nun die noble Wochenend-Gesellschaft des Hausherrn den Badenden. Frau Keeler will sich vor seiner Lordschaft keine Blöße geben, doch die Herren entziehen dem Mannequin seinen Badeanzug, lassen das Mädchen ein bisschen nackt herumlaufen. Es ist Freiwild zwischen den Damen in Abendkleidern und den lüsternen Herren. Minister Profumo amüsiert sich, seine Frau auch, und schließlich wird die Badende doch in ein Handtuch gehüllt und damit die britische Noblesse bewahrt. Bill Astor lädt Stephen Ward und dessen Gäste zu einem Drink ins Haupthaus ein. Die Sommergesellschaft plaudert, John Profumo lässt sich mit Christine fotografieren, man scherzt, lacht und vereinbart, einander wiederzusehen. Die Frau Gemahlin wird wohl schon ins Schloss zurückgekehrt sein, um sich fürs Dinner anzukleiden.
Lord Alfred Denning beschreibt diese Szene in einem amtlichen Untersuchungsbericht „John Profumo & Christine Keeler – 1963“ ausführlich: „Es ist offensichtlich, dass Herr Profumo im Verlauf dieses Wochenendes von Christine Keeler sehr beeindruckt war und beschlossen hat, sie wiederzusehen. Dies war über Vermittlung von Stephen Ward sehr einfach zu organisieren. Während der nächsten Tage und Wochen vereinbarte Herr Profumo Treffen mit Christine Keeler. Er besuchte sie im Haus von Stephen Ward und hatte dort Geschlechtsverkehr.“
Praktischerweise hatte der Mediziner im Nebenerwerb einen Prostitutionsring mit jungen Mädchen für betuchte Bürger der Londoner Gesellschaft aufgezogen. Die Dienste des Dr. Ward wurden gern in Anspruch genommen. Der Arzt stellte dafür Honorarrechnungen aus, die in bar oder mit Barschecks beglichen wurden. Eine Rückverrechnung über die Krankenversicherung unterblieb immerhin. Dr. Ward verfügte über kein Bankkonto.
Minister Profumo demonstrierte seine soziale Ader und gab der 18-Jährigen kleine Präsente: Parfum, einen Zigarettenanzünder und hin und wieder 20 Pfund zur Unterstützung ihrer Eltern. Lord Denning hält das in seinem Report „für eine höfliche Art, Geld für ihre Dienste zu verlangen“. Prostitution mit Stil eben.
An wahrer Noblesse lässt es John Profumo allerdings fehlen. Als seine Frau im August 1961 ein paar Wochen auf die Isle of Wight fährt, nutzt der Minister die „sturmfreie Bude“ – ein Ausdruck, der freilich für ein Haus am Regent’s Park ein wenig unangemessen ist. Er schläft mit seiner Freundin, einer Prostituierten, im Ehebett. Zitat aus dem Archiv des „Stationary Office London“: „Ich bin zufrieden, dass die Motive, warum Profumo sie besucht hat, darin liegen, dass er von ihr angezogen war und mit ihr Geschlechtsverkehr haben wollte. Es wird behauptet, dass Herr Iwanow ebenfalls ihr Geliebter gewesen sei. Ich glaube das nicht“, schreibt ein Geheimpolizist nach der Observation.
Der Ehebruch des Ministers, seine Affäre mit einem Callgirl mag ein wenig peinlich sein, staatsgefährdend sind sie nicht. Geriete da nicht der sowjetische Diplomat und Geheimdienstmann Jewgeni „Eugene“ Iwanow ins Bild und mit Frau Keeler ins Bett. Der Spion erhofft von seinem Freund Dr. Ward Informationen darüber, ob die Amerikaner bereits Atomwaffen in Deutschland stationiert haben. Ward soll diese streng geheimen Nachrichten in Gesprächen mit seinen einflussreichen Freunden erkunden. Dr. Ward ist bekennender Kommunist, Genosse Iwanow verspricht dem Arzt gewisse Vorteile.
Hat Ward Christine Keeler als Lockvogel benutzt, um vom britischen Kriegsminister im Bett militärische Geheimnisse zu erfahren? Das ist die Frage, darum geht es in dem Regierungsbericht.
Sollte das Callgirl aus einer Bar in Soho zur Mata Hari gemacht werden, im Bettgeflüster atomare Geheimnisse am Höhepunkt des Kalten Krieges erfahren und verraten? Sie selbst dementierte die bösen Anschuldigungen. Und Minister John Profumo ebenfalls, möglicherweise sogar glaubhaft. Denn der konservative Politiker wird schon bald nach Beginn seiner Affäre von Kabinettsminister Norman Brook und dem Chef des Geheimdienstes MI5, Sir Roger Hollis, gewarnt. Beide informieren ihn über die
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