AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN
In Babelsberg befinden sich die Studios der UFA. Goebbels balzt nach allen Regeln der Kunst: Er spielt am Flügel romantische Weisen, rudert Lída über den See, füttert mit ihr Rehe im Wald und turtelt am Kamin. Es ist das übliche Verführungsprogramm, das der eher kleinwüchsige und mit einem Klumpfuß behaftete Minister abspult. Sehr oft landet Goebbels mit seiner Begleiterin in einem einsamen Blockhaus am Bogensee. Manche riskieren es, dem scheinbar allmächtigen NS-Bonzen eine Abfuhr zu erteilen, und bezahlen den Preis, keine lukrativen Aufträge in der Filmindustrie mehr zu bekommen.
Die 22-Jährige wehrt sich nicht lange gegen seine Avancen. Sie trennt sich von „Gustl“ Fröhlich, der es mit Beziehungstreue auch nicht so genau nimmt, und Goebbels hat freie Bahn bei seiner „Liduschka“: „Er war sehr geistreich. Wir haben viel gelacht und wir haben uns gut verstanden. Ich muss sagen, er war ein sehr nobler Mensch.“ Der Mann, der die „Lügenpeitsche der Propaganda“ (wie Thomas Mann es genannt hat) schwingt, verliebt sich seinerseits in die Tschechin. Er schreibt ihr kindische Liebesbriefe, wie der „Spiegel“ bereits 1947 in einer Geschichte über diese Affäre im Dritten Reich berichtet.
Aus der Affäre wird eine ernsthafte Liebe, und das ist Baarovás Unglück.
Die Schauspielerin, Jahrzehnte danach: „Ich liebte Gustl und wollte eigentlich von ihm nicht weg. Goebbels habe ich erst während der Olympischen Spiele 1936 kennengelernt. Gustl hat sich damals ziemlich viele Dinge geleistet. Goebbels war klug und raffiniert und hat meine Situation erkannt und er hat dieses junge Mädchen, das ich war, in seine Fänge gezogen. Ich habe geglaubt, dass ich in ihn verliebt bin, er hat mich fasziniert.“ Tatsächlich haben sich die Goebbels und Baarová schon bei einem „Nachbarschaftsbesuch“ der Goebbels in der Villa Fröhlich kennengelernt. Der Minister hatte das Traumpaar des Films dann zur Abschlussfeier der Olympischen Spiele auf die Berliner Pfaueninsel eingeladen.
Die Geschichte, dass Lída Baarovás Liebhaber Gustav Fröhlich in einem Eifersuchtsanfall Goebbels eine Ohrfeige gegeben hätte, stimmt jedenfalls so nicht. Der Schauspielstar hat den allmächtigen Film- und Propagandachef Goebbels zwar beschimpft, ist aber nicht tätlich geworden. Der NS-Bonze habe sich in seinen Wagen geflüchtet und rasch die Fenster hochgekurbelt. Die vermeintliche Szene wurde dennoch in Windeseile zum Berliner Tagesgespräch. Der Kabarettist Werner Finck spöttelte unter dem Beifall seines Publikums: „Wer möchte nicht mal Fröhlich sein?“
Doch Frau Goebbels scheint die Affäre über die Bande gespielt zu haben. Sie schaltet wenige Tage später abermals ihren Busenfreund Adolf Hitler ein und beklagt sich über die Demütigungen, die sie erleiden müsse. Hitler reagiert nach der Aussprache mit Magda am 15. August rasch und beordert seinen Propagandaminister zu sich auf den Berghof.
Lída Baarová erinnert sich: „Frau Goebbels ist dann zu Hitler gegangen und hat Hitler ganz falsch erzählt, ich hätte mich in ihre Ehe eingeschlichen, sie wäre das große Opfer und so weiter. Das war einfach nicht wahr. Goebbels wurde von Hitler gerufen und musste sein Ehrenwort geben, dass er mit mir Schluss macht. Ich durfte nicht mehr in Deutschland filmen, ich durfte nicht mehr in Gesellschaft. Ich bin 1938 verboten worden, während alle anderen Kollegen bis 1945 ihre Filme gemacht haben. Ich bin zur ‚Femme fatale‘ des Dritten Reichs geworden.“
Ihr letzter in Deutschland aufgeführter Film sollte „Der Spieler“ sein. Goebbels hatte die Absetzung des Baarová-Films überlegt, da er bei der Premiere Proteste fürchtete. Die Premiere des 1938 zusammen mit Willy Fritsch gedrehten Films „Preußische Liebesgeschichte“ wurde hingegen auf Druck von Adolf Hitler untersagt; erst 1951 wurde der Film unter dem Titel „Eine Liebeslegende“ uraufgeführt.
Es war fürwahr eine Staatsaffäre, die das Dritte Reich erschütterte. Nach dem „Anschluss“ Österreichs ans Deutsche Reich im März 1938 und während der Verhandlungen mit Großbritannien über das weitere Schicksal der Tschechoslowakei dilettiert der Reichskanzler und Diktator Hitler als Eheberater und Paartherapeut. Auch Hermann Göring muss Goebbels ins Gewissen reden und ihn von seiner regimegefährlichen Affäre abbringen. Der Reichspropagandaminister schreibt brav in sein Tagebuch: „Beim Führer. Ich habe wieder eine lange Aussprache mit ihm. Ich
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