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Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Titel: Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Schaaf
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wohl wiedersehen würde und was sie miteinander tun würden.
Das erste Mal war sie ihm in seinem Flugzeug begegnet. Sie wollte mitfliegen, er wollte sie hinauswerfen – hier hätte es schon enden können. Er war auf sie zugegangen, und es hatte gereicht für sie, ihn zu taxieren. Sie kannte diese Art Mann, ein Außenseitertyp, der alle Frauen kriegte, die er wollte, die meisten sogar, ohne sich darum zu bemühen. Um sie freilich bemühte er sich, angezogen vielleicht von ihrem Desinteresse, einer gewissen Herablassung. Sie schienen sich zu umkreisen wie zwei Wölfe, Alphatiere, die sich als solche erkannten. Er beobachtete sie, sie beobachtete ihn. Groß, muskulös, drahtig, straffer Teint, höchstens dreißig Jahre jung, blauschwarze Haare und Brauen sowie ein Schnurrbart, der bei genauerem Hinsehen die dünne Narbe einer Hasenscharte verbarg. Ein seltsamer Reiz ging von seinem Gesicht aus, und sein Lächeln war flink, ein Lichtreflex auf einer Klinge. Dragan verkörperte oberflächlich einen Typ Mann, den sie eigentlich verachtete, dem sie misstraute, gegen den sie agitierte. Und doch war er in ihren Genen, in ihren Gedanken, in ihren Träumen sogleich ein Virus, ein Keim, ein Schössling. Nach der Hälfte der Flugzeit war sie uneins mit sich selbst im winzigen rest-room gestanden, hatte sich das Gesicht mit kaltem Wasser bespritzt, dabei vermeidend, in den Spiegel zu schauen.
    Die Journalistin löste sich aus der abgeschiedenen Gedankenwelt, schaltete den Fernseher ein; es lief ein Unterhaltungsprogramm, unterbrochen durch einen Aufruf an die Bevölkerung, Blut zu spenden mit dem löblichen Beispiel eines jungen Mannes namens Damir, der stolz darauf war, Blutgruppe B negativ zu haben und damit ein gesuchter Spender zu sein. Die TV-Bilder zeigten den hübschen schwarzgelockten Burschen lächelnd bei der Blutabnahme und gleich darauf, mit einem harten Schnitt, den Blutempfänger, einen verwundeten jungen Burschen namens Mirko, in dessen Adern jetzt das Blut von Damir floss. Der Journalistin fiel Mirkos freundliche Ausstrahlung auf und dass er glatt rasiert beziehungsweise geschoren war bis auf eine kleine und eine große gelbe Bürste unter der Nase und auf dem Schädeldach.
    Anica zappte den Bildschirm schwarz, stellte stattdessen das Radio an, obwohl sie eigentlich keine große Radiohörerin war. Sie machte erst seit kurzem von dieser Möglichkeit Gebrauch, weil das Fernsehen immer öfter Showkonserven und immer weniger Berichte brachte, und auch nur, wenn sie hoffte, dass Zaim, einer ihrer neuen Bekannten, die Nachrichten las. Sie hielt ihn für den einzigen Sprecher, der nicht so fürchterlich gekünstelt und geziert redete. Den Sender ließ sie meistens sehr leise eingestellt, so dass nur unverständliches Gemurmel an ihr Ohr drang, doch Zaims Stimme kannte sie genau und sobald sie den vertrauten Tonfall vernahm, drehte sie die Lautstärke auf, aber wenn die Sendung vorbei war, stopfte sie dem Apparat gleich wieder das Maul.
    Weil sie heute etwas unkonzentriert war, stellte sie sofort auf normale Lautstärke: „…bis auf einzelne Zwischenfälle in der Sutjeska-Straße und in der weiteren Umgebung des Holiday Inn war es vergangene Nacht in der Hauptstadt ruhig...“
    „Schämst du dich nicht, wieder solche Lügen zu verbreiten?“ rief die Reporterin außer sich vor Empörung. Statt einer Antwort erfuhr sie von der Sprecherin nun ausführlich einen Bericht über den Bürgerkrieg in Afghanistan.

2 Blick aus dem Hotelfenster
     
    Wütend schaltete Anica ab, trat ans Fenster zu der dauerhaft aufgestellten Kamera mit Teleobjektiv und warf gewohnheitsmäßig einen Blick hindurch zu dem schräg gegenüberliegenden Apartmenthaus in einer Seitenstraße. Im Sichtfeld sah sie einen älteren Mann, der hockend seine Notdurft in den Rinnstein verrichtete, und nach einem hastigen Schwenk ein hängendes, dünnes Seil. Sie verfolgte es nach oben, bis sie in der fünften Etage auf einem winzigen Balkon jemanden ziemlich verdeckt stehen sah. Eine weibliche Gestalt ließ an einer Wäscheleine einen Korb hinunter. Die Frau wollte sich von einem ambulanten Händler Lebensmittel heraufschicken lassen. Hinter dem Türrahmen verborgen gab sie mit der Leine allerlei Zeichen, ohne dabei auch nur einen Finger herauszustrecken. Dieser Straßenabschnitt, auf etwa zweihundert Metern Länge, lag wie meistens ruhig und fast leer im Gegensatz zu dem geschäftigen Treiben des benachbarten Häuserblocks. Eine riesige, turmartige weißliche

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