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Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Titel: Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Schaaf
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noch dran?“ fragte er besorgt.
    Sie klemmte den Telefonhörer zwischen Kopf und Schulter. „Nun“, sagte sie gedehnt, „wie ich dich kenne, stehst du splitterfasernackt im Zimmer und bist weder gewaschen noch rasiert.“
    „Im Gegensatz zu dir bin ich gerade dabei, einen Menschen aus mir zu machen. Bei uns sind nämlich Gäste zum Dinner eingeladen, zum Beispiel du. Oder hast du´s vergessen?“
    „Gewiss nicht“, entgegnete sie. Von den Haarsträhnen fielen ihr Wassertropfen auf Brust und Oberschenkel. „Mein Magen singt bereits ein Lied“, stöhnte sie verhalten.
    Sie hörte ihn leise seufzen. „Dann beeil dich und sei ein kultivierter Mensch, Anica. Lass uns nicht warten. Mary-Jo ist gerade gekommen. Sie muss bald wieder weg.“
    „Die Arme.“ Anica Klingor gähnte, und ihre Schenkelmuskeln zuckten von der anstrengenden Hockhaltung. „Und was wird auf dem Tisch stehen?“
    „Bosnische Pastetchen, Brathuhn mit gekochtem Weizen, Hammelkeule gegrillt, Baklava-Gebäck, Datteln, Kadaif-Nudeln und Liwanjski sir, dein Lieblingskäse, sowie, um den Magen vollends zu schließen, Türkische Rose.“
    „Turkish rose“‚ summte sie und massierte sich den Nacken mit der freien Linken. „Sieht aus, als sollte ich mir den Magen verderben. Gibt´s auch was zu trinken, Burky?“
    „Hör mal, Anica“, sagte er tadelnd, „ich lege jetzt auf. Hab noch `ne Menge zu tun. Mach hin, aber rasch. Sonst bekommst du den größten Krach mit Mary-Jo!“
    „Gott, nein!“ Anica verzog leicht die Mundwinkel.
    „Bestimmt ist auch eine Story für dich drin, Anica. Exklusiv für AK und ihren Haussender. Also!?“
    „Vergiss du nicht, aus den Pantoffeln zu springen, Major Hausmann“, flötete sie spitz, legte auf und summte: „Ich eile, liebe Freunde.“
    Anica Klingor gierte heißhungrig nach einem feinen Essen und einer saftigen Geschichte für ihre Fernsehzuschauer in Deutschland, und tief in ihrem Innern spürte sie diesen peinigenden, nicht vollständig zu bezwingenden Alpdruck. Mit Gier und Hungergefühlen konnte sie umgehen, doch Alpträume hatte sie seit ihrer Jugend kaum mehr gehabt; sie hatte stets unbekümmert ihren, oftmals eigensinnigen, Weg gemacht, und aus Erfahrung wusste sie, dass sie imstande war, jede Art Hindernis zu überwinden und ihre Ziele zu erreichen. Problematisch wurde es nur, wenn sie sich fragte, was ihr geschehen könnte, falls sie einmal Pech hatte. Das passierte meistens dann, wenn sie nicht recht wusste, wem sie vertrauen sollte. Sie arbeitete gern allein, aber sie vergaß niemals, dass sie alles, was sie erreicht hatte, dem Zusammenwirken mit anderen Menschen verdankte. Bisher hatte sie viel Glück gehabt, das Glück des Fähigen mit dem Talent, sich in andere Menschen hineinversetzen zu können Und sie konnte sich gut vorstellen, was in Burkharts Frau vor sich ging.
    Mary-Jo Hayward-Ball, Pilotin eines Black Hawk genannten H-21-Helikopters, Kettenkommandeuse und Tochter sowie künftige Erbin eines Sportflugzeughändlers in Mandeville, Louisiana, hatte mit sicherem Instinkt erkannt, dass ihre, Anica Klingors Gesellschaft ungefährlich war für ihren Mann, den sie allzu oft allein zurücklassen musste. Außerdem hatte die TV-Reporterin aus Berlin sich einen einheimischen Jungen angelacht, sofern man einen der Herzegowina entstammenden Serben aus Smederevo bei Beograd überhaupt noch als Einheimischen bezeichnen konnte. Die ehemalige Hauptstadt war wenige Flugminuten entfernt wie auch die adriatische Küste. Deutschsprachige Menschen erreichte man in einer knappen Stunde, das Schwarze Meer in der doppelten Zeit, wenn die Verhältnisse es nur zuließen.
    Zu Misstrauen ihrem Mann gegenüber hatte Mrs. Hayward-Ball keinen Anlass. Was sie hingegen gelegentlich über die Frauen ihrer Pilotenkollegen hörte, bestärkte sie in ihrer Ansicht, dass Vorsicht sich immerhin auszahlte. In ihrem Bungalow verkehrten wenige Frauen. Anica Klingor gehörte zu den Auserkorenen. Ihre Bekanntschaft mit Burkhart datierte einige Jahre zurück, bedrohte indes den ehelichen Frieden nicht. Dafür sorgte schon ihr serbischer Freund, ein kompakt gebauter, dabei großgewachsener Pilot, der mit seinem Frachtflugzeug auf abenteuerliche Weise diverse Fernsehstationen in Sarajevo mit allem Notwendigen versorgte, was mit westeuropäischen Genussmitteln anfing und technischem Gerät noch nicht aufhörte. Die ganze Zeit über, während Anica mit Burkhart telefonierte, hatte sie sich darüber Gedanken gemacht, wann sie Dragan

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