African Boogie
wollte Laura wissen.
Fast hätte es Katharina verraten. Aber sicher war sicher: »Das kann ich dir nicht sagen. Das ist geheim. Du weißt doch, ich bin …«
»Polizistin!«, rief Laura, bevor Katharina ihr den Finger auf den Mund legen konnte. Sie sah sich besorgt um, aber niemand nahm Notiz von ihnen.
»Und da muss man manchmal Dinge machen, die niemand wissen darf«, erklärte sie dem Mädchen.
»Schon klar«, sagte Laura mit der Weisheit einer fast Fünfjährigen. »Kommst du uns besuchen?«
»Das habe ich dir doch versprochen. Sobald ich Zeit habe.«
Tom Wahrig räusperte sich: »Laura, unser Flug …«
Katharina richtete sich auf und gab ihm die Hand: »Guten Flug!« Dann ging sie noch mal in die Hocke und nahm Laura fest in den Arm. Das Mädchen erwiderte die Umarmung. Endlich ließen sie einander los. Laura nahm ihren Vater wieder an die Hand und winkte noch einmal über die Schulter.
Katharina sah ihnen nach, bis sie in der Menge verschwunden waren. Sie würde Laura besuchen. Doch, ganz bestimmt.
Wie es der Zufall wollte, befand sich die Emirates-Lounge direkt gegenüber von Katharinas Gate, bewacht von einer ganzen Armada von bulligen Sicherheitskräften.
Katharina ließ sich in einen Sessel fallen: Ihre erste echte Ruhepause an diesem Tag, stellte sie fest. Vielleicht sogar seit zwei Wochen. Seit ihr Leben langsam, aber sicher aus dem Ruder gelaufen war.
Sie sah auf die Uhr: kurz vor neun. Vor vierzehn Tagen um diese Uhrzeit hatte sie verzweifelt zu Hause auf ihrem Sofa gesessen. Polanski, ihr Chef, hatte sie eben nach Hause gebracht. Gegen ihren Willen. Thomas, ihr langjähriger Partner und bester Freund, war keine drei Stunden zuvor getötet worden. Und sie selbst hatte zwei Menschen erschossen. Drogenhändler, die einen Kollegen und vier Jugendliche als Geiseln genommen hatten. So hatte es begonnen. Und dann war das Schicksal auf den Geschmack gekommen und hatte mit dem Hammer auf ihr Leben eingeschlagen. Immer und immer wieder. Bis nichts als ein Scherbenhaufen übriggeblieben war: Vor vierzehn Tagen war sie Kriminalhauptkommissarin im KK 11, dem Frankfurter Kommissariat für Kapitalverbrechen, gewesen. Vielleicht nicht die beliebteste Kollegin, aber die erfolgreichste. Und dann hatten sie und ihr Partner ausgerechnet an diesem Nachmittag den Entschluss gefasst, Karten für die Oper zu kaufen. Dabei mochte Katharina die Oper eigentlich gar nicht. Aber Thomas hatte sie gebeten mitzukommen. Damit seine Frau, die eifersüchtig auf Katharina gewesen war, sie besser kennenlernen konnte.
Ausgerechnet im Parkhaus an der Oper, diesem Palast der Spießbürgerlichkeit, mussten sie in eine Geiselnahme geraten. Miguel de Vega hatte Thomas erschossen. Katharina dafür ihn. Und plötzlich war alles anders gewesen: Ein Kollege hatte Katharina angeschwärzt, sie hatte sich einer Mordanklage gegenübergesehen und war vom Dienst suspendiert worden.
Und dann hatte ihr das Schicksal auch noch Laura in den Schoß geworfen – und gleichzeitig einen neuen Fall, denn Lauras Mutter, ihre Nachbarin, war Opfer eines Gewaltverbrechens geworden.
Kurz darauf war er in ihr Leben getreten: Dr. Andreas Amendt. Der neue, arrogante Gerichtsmediziner, den niemand leiden konnte. Der sanftmütige Gitarrenspieler, der Ungerechtigkeit nicht ertrug. Auch er war suspendiert worden, weil er einen verdienten Arzt des Uni-Klinikums des Mordes bezichtigt hatte. Er und Katharina hatten sich zusammengerauft und gemeinsam beide Morde aufgeklärt. Katharina war in die Fänge der Mörder geraten. Dr. Amendt hatte ihr das Leben gerettet. Und sie hatte sich in ihn verliebt.
Gleichzeitig hatten sie beide ihren Job verloren: Sie waren weggelobt worden zu einer Kamikaze-Einheit. Doch Katharina hatte geglaubt, dass es gut gehen würde, solange es drei Menschen auf der Welt gab, denen sie wirklich vertrauen konnte: Polanski, ihrem Chef, Kurtz, ihrem Patenonkel, und Andreas Amendt.
Aber das Schicksal hatte ihr erneut ins Genick getreten. Es lag eine bittere Ironie darin, dass dieser Tritt gleichzeitig das größte Rätsel in ihrem Leben löste: Sie erfuhr, wer ihre Eltern und ihre Schwester umgebracht hatte. Nur deshalb war sie Kriminalpolizistin geworden. Aber sagte man nicht: Wen die Götter vernichten wollen, dem erfüllen sie einen Herzenswunsch?
Sie hatte erfahren, dass Andreas Amendt der Verlobte ihrer Schwester gewesen war. Und Polanskis Hauptverdächtiger. Polanski! Der fast wie ein Vater zu ihr war. Schon damals, als er der
Weitere Kostenlose Bücher