African Queen
östlich von Sambia, nördlich von Simbabwe und südlich von Tansania. Im Land der Nilpferde und Leoparden, im Wirkungsbereich Livingstones und auf alten Sklavenpfaden. Die Weite, die Zeit, die Grenzenlosigkeit der Möglichkeiten, all das weht durch das offene Fenster herein, und ich danke Lisa zum ersten Mal dafür, dass sie mich nach Afrika gebracht hat.
Am See angekommen, checken wir in irgendeiner Hundertdollar-Beachlodge ein. Das ist in Afrika die Mittelklasse. Darunter liegen die Backpacker-Paradiese mit zwanzig Dollar, darüber alles Mögliche. Lisas Lodge kostet dreihundert, andere tausend pro Nacht. Ich hörte sogar von Lodges, die zehntausend Dollar für vierundzwanzig Stunden in der Wildnis nehmen. Da checkt dann Madonna ein, wenn sie Kinder adoptieren will, aber für unsere Zwecke geht die Mittelklasse in Ordnung.
Allerdings fehlt in der «Sunset-Lodge» eindeutig die weibliche Hand. Im Zimmer, im Garten, im Restaurant und am Strand, überall fehlt Moni, die zweite Hälfte von Toni, seit einem Jahr managt er die Lodge allein. «Warum?», frage ich. «Es war ihr zu viel Arbeit», antwortet Toni. Toni ist Deutscher, präziser ein Ossi, und von Beruf Tischler; er hatte einen eigenen Betrieb in der Nähe von Rostock, bevor er wegen der schlechten Auftragslage und des angeborenen Hasses ostdeutscher Bürokraten auf Freiberufliche die Faxen dicke hatte und ihn der Hafer stach. Irgendeine Stimme in ihm sagte AFRIKA, aber Genaueres sagte sie nicht, darum machte es Toni folgendermaßen: Er nahm eine Afrikakarte und drehte sie mit geschlossenen Augen auf dem Tisch, dann tippte er mit dem Finger drauf. Augen auf. Malawi? Nein, Namibia. Das war eine sehr kluge Wahl des Zufalls. In ehemals Deutsch-Südwestafrika gibt es noch jede Menge Deutsche, die Arbeit für gute Handwerker haben, aber Toni arbeitete in Windhuk auch für einen holländischen Hotelier, der ihm einen festen Job anbot. In einer seiner Lodges in Malawi war der Manager gestorben, weil er unglücklicherweise zwei schwere Fieberkrankheiten gleichzeitig bekommen hatte. Toni selbst hatte sechsmal Malaria, seitdem er hier Chef geworden ist, das erste Mal hätte es ihn beinah umgebracht, und er sah das weiße Licht, die restlichen Erkrankungen steckte er wie eine schwere Grippe weg. Und zwischendurch lief ihm Moni davon.
Eine traurige Geschichte, die noch immer nicht beendet ist, denn Toni hat noch ein Problem. Eine Pavian-Invasion. Primaten checkten ein. Sie kamen aus dem Regenwald und fanden, dass eine Lodge für sie artgerechter sei. Nicht ein Pavian, nicht zwei, nicht drei, sondern ein ganzes Volk zog geschlossen aus der Wildnis in Tonis Lodge um, so sechzig bis achtzig Tiere, genauer kann er es nicht sagen, sie lassen sich nur schwer zählen, weil sie sich entweder verstecken oder in Aktion sind, außerdem werden es täglich mehr. Der Trick der Primaten ist die sanfte Übernahme. Sie greifen nicht an, sie beißen nicht, sie vertreiben die Menschen nicht mit ihrer unglaublichen Körperkraft und ihrem fürchterlichen Gebiss, denn sie sind ja nicht blöd. Auch sie wollen keine Paviane als Köche oder einen Affen, der statt des Gärtners dem Swimmingpool täglich sauberes Wasser zuführt. Auch Primaten schätzen Qualität, und wer, außer den Gästen, würde hier sonst sein Essen unbewacht herumliegen lassen? Bestimmt kein Affe, und es wäre ein lausiges Leben, wenn hier Affen nur Affen bestehlen könnten, nein, sie brauchen die Menschen, und ihr Kniff ist: Vergesellschaftung. Schleichende Gewöhnung. Der Garten von Tonis Lodge ist groß, und er hat auch recht zugewachsene Teile, die fließend in den angrenzenden Regenwald übergehen. Diese Transit-Welten sind bereits fest in der Hand der Paviane, hier schlafen sie, und hierhin ziehen sie sich auch tagsüber zurück, wenn zu viele Gäste den freien Rasen nutzen. Aber der Pool in der Mitte des Gartens zählt mit seinen künstlichen Miniaturfelsen und seinem Miniwasserfall ebenfalls bereits als Pavian-Territorium. Hier laben sich nur noch Affen, der Mensch badet am Strand. Morgens allerdings, wenn die Sonne aufgeht, sind im gesamten Open-Air-Bereich von Tonis Lodge nur noch Affen, selbst auf den Zimmerterrassen. Frühaufsteher wie ich haben dann die Chance, Affenkindern beim Spielen zuzusehen und den Alten beim Ficken. Okay, sie machen das auch tagsüber auf offener Bühne, denn Primaten kennen keine Scham. Sie haben keine Religion, und sollte es unter ihnen doch so etwas wie einen Gott geben, so hat er
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