Afrika im Doppelpack: Vater und Sohn mit dem Rucksack durch Schwarzafrika
von Sturmhauben heruntergezogen, fingierte Kontroll- und vorgetäuschte Unfallstellen aufgebaut und an jeder Straßenkreuzung einem suizidalen oder zumindest stockbesoffenen Geisterfahrer Platz gemacht. Sorry, der Blutdurst des voyeuristischen Lesers kann nicht gestillt werden. Der Einzige, der versehentlich in den Gegenverkehr geriet, war ein Lorenführer aus Bayern, der hypernervös und desorientiert vorübergehend die Kontrolle über die Fahrbahnwahl verlor, bevor er von einem schreienden Neunjährigen zur Räson gebracht werden konnte.
Nur einmal auf unserem 600 Kilometer weiten Weg bis an die Küste von Kwazulu-Natal wären wir beinahe Betrügern in die Hände gefallen. Es passierte auf einer der vielen modernen Tankstellen entlang der N 17. Ein Farbiger im braunen Jackett mit Namensschild und aufgenähtem Fantasieabzeichen, nett, grau meliert, Typ vertrauenerweckender Opa, wies uns freundlich darauf hin, dass an der nächsten Toll-Station aufgrund eines technischen Defekts mit einer überlangen Wartezeit zu rechnen sei – und wir deshalb, der Einfachheit halber, am hiesigen Geldautomaten einen Mautbeleg mit unserer Kreditkarte erstehen könnten. Mehrere seiner Kollegen, gleiche uniformähnliche Jacke, gleiches Namensschild und gleicher Aufnäher, standen Spalier und wiesen mit Handzeichen den Weg zu dem von ihnen präparierten Geldautomaten. Wie lange wäre ihr Lebensunterhalt wohl gesichert, welche Bonuszahlung von ihren Bossen fällig gewesen, hätte ich tatsächlich meine Master-Card in ihren Schlitz ohne Wiederkehr gesteckt und meine PIN in ihren nachgebauten Tastaturaufsatz eingegeben?
Es war bereits kurz vor Sonnenuntergang, als wir St. Lucia erreichten. Hier war es anders, St. Lucia hob sich ab von seiner Nachbarschaft. Die mehrheitlich weiße Bevölkerung vermittelte dem Ort eine eher dörfliche Atmosphäre mit sauberen Straßen und akkurat gepflegten Vorgärten. Ein sympathisches, Sicherheit versprechendes Kleinstadtidyll direkt am Indischen Ozean, umgeben von den faszinierendsten Nationalparks, inmitten des Kernlands der Zulu. Mit einer Rucksacktouristenecke, von der aus chaotischen Schlafsälen dicke Schwaden Marihuanaqualm zur Hauptstraße zogen, in der junge, weiße Frauen mit grazilen, unisono sportlich gekleideten Körpern Souvenirs und für ihre blonden Kinder gesundes, frisches Obst von den Ständen matronenhafter, schwarzer Frauen kauften. Wir wussten sofort, hier gefiel es uns, hier würden wir bleiben.
Wir fanden eine Unterkunft in der villenähnlichen Bungalowanlage von Barbara, einer agilen, weißen Mittfünfzigerin, inmitten eines ruhigen Wohnviertels, nur ein paar Gehminuten von der Hauptstraße mit all ihren Restaurants und Geschäften entfernt. Die achtzig Quadratmeter mit Küche, Wohn-, Schlaf- und Esszimmer beinhalteten auch eine Terrasse mit eigenem Holzkohlegrill, einschließlich des Services von Jonathan, der bereitstand, um auf Wunsch und gegen ein kleines Trinkgeld unser rohes Grillgut professionell in Saftiges und Knuspriges zu verwandeln.
Barbara kannte sich aus in ihrer Heimat. Und sie war begeistert von Michaels Interesse am Volk der Zulu. Als er ihr vorschwärmte, wir würden ein sogenanntes „lebendes Museum“ der Zulu, einen originalgetreu nachgebauten Kral mit Sangoma, sprich Schamanen, Tanzvorführung und barbusigen Mädels besuchen, hatte sie eine geniale Idee. Ein Ausflug in die Geschichte – alles schön und gut. Aber warum nicht auch eine Reise in die Gegenwart? In eines der Dörfer in der Umgebung. Um zu sehen, was vom einstigen Königreich des großen Shaka Zulu übrig geblieben war.
Michael und ich hatten Feuer gefangen. Zu groß war die Versuchung, in unbekanntes Terrain, abseits der ausgetretenen, touristischen Pfade vorzustoßen. Schon am nächsten Vormittag ging es los. Mit von der Partie war Barbaras Jugendfreundin Amy, eine zünftige Zulu-Mama mit dem Körperumfang einer traditionellen Rundhütte, und deren Tochter Sandy, die am Steuer des Cherokee Pick-ups saß, der uns durch die schlaglochübersäten Pisten zwischen den einzelnen Weilern hindurch schaukelte.
Wir haben viel gelernt an diesem wohl einmaligen Tag:
1. Männer brauchen mehr als nur eine Frau. Je mehr Frauen, desto größer ist das Ansehen. Aber – und das ist das Entscheidende – jede Frau bewohnt ihr eigenes Haus, bestellt ihr eigenes Feld und melkt ihre eigene Kuh. Arme Teufel bleiben wie andernorts auf der Strecke. Einer der reichsten und mächtigsten Männer aber hatte 99
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