Afrika im Doppelpack: Vater und Sohn mit dem Rucksack durch Schwarzafrika
Okavango, dem Habitat von Flusspferden, Nilwaranen und Krokodilen.
Später, lange nach dem Abendessen, als die aufgekratzten Gespräche langsam ein Ende fanden und nur noch vereinzelt Gelächter aufbrauste, klemmten sich Bob und ein paar der älteren Bootsleute kleine, abgewetzte Trommeln zwischen die Beine und begannen, einen zuerst kaum hörbar leisen, sich immer mehr steigernden, schließlich ekstatisch wilden Sound in das Okawango-Delta hinaus zu jagen, dass außer den ohnehin wie besessen Trommelnden keiner mehr an sich halten konnte, bis sich letzten Endes jeder völlig enthemmt um das Lagerfeuer die Seele aus dem Leib tanzte, nicht ohne dabei den eingestimmten Gesang auf Setswana, dem Dialekt der hiesigen Bevölkerung, so gut er konnte nachzubrüllen.
So endeten unsere Tage im Okawango-Delta mit rauen Hälsen und nassgeschwitzt bis auf die Knochen. Bei allen Sinnesfreuden blieb dabei stets Zeit für die Besinnlichkeit, durfte der Abend nicht beendet werden, ohne das gemeinsame Gute-Nacht-Gebet. Darauf achtete vor allem Bob peinlich genau. Was folgte, war die Krönung eines jeden Tages: Das enge Zelt, die kuschelig warmen Schlafsäcke, im Hintergrund die murmelnden Stimmen und leisen Lacher derer, die um das glimmende Feuer Nachtwache hielten – sieht so wahre Glückseligkeit aus? Es gibt nur eine Antwort: Ja, es war das reinste Glück.
Michael und ich waren wieder allein. Nach über zwanzigstündiger Rückfahrt wurden wir vom Moloch Johannesburg geschluckt wie Clownfisch Nemo vom Wal. Unseren letzten Tag in Botswana hatten wir gestern im Makgadikgadi National Park bei Abertausenden von Pelikanen und Flamingos verbracht, die an den Ufern der dortigen Salzpfannen brüteten. Das Anrecht auf das wahre Highlight dieses Tages aber durfte ein König für sich beanspruchen. Auf der holprigen Fahrt zurück zum Campingplatz stoppte David auf freier Strecke, bevor er vorsichtig den Motor ausschaltete und bedächtig auf eine unauffällige Stelle unter zwei Schirmakazien zeigte. Erst jetzt vermochten auch wir zu erkennen, was seinem geschulten Blick bereits aus dem fahrenden Geländewagen aufgefallen war: Im Licht der untergehenden Sonne schälten sich aus all den Pastell- und Ockertönen der weiten Graslandschaft die Konturen eines mächtigen Löwenmännchens heraus. Ehrfurcht gebietend, gar Angst einflößend erschien er uns nicht. Dazu war er, man muss es an dieser Stelle so deutlich sagen, viel zu weit weg. Mehrere hundert Meter Distanz lagen zwischen ihm und uns. Er gähnend, entspannt auf der Seite liegend. Wir nervös mit unseren Fotoapparaten fuhrwerkend, uns selbst zum Kasper machend bei dem aussichtslosen Versuch, auf diese Entfernung eine zeigenswerte Aufnahme zustande zu bringen.
Aber war nicht genau das eine der Unabdingbarkeiten einer Safari? Die Big Five – allen voran der Löwe, danach hierarchisch gleichberechtigt Leopard, Elefant, Wasserbüffel und Nashorn – waren das Ziel, der Sinn und Zweck einer Safari. Aus dieser Notwendigkeit werden diese einzigartigen, quer über den schwarzen Kontinent verteilten Naturräume erhalten, speisen sich die finanziellen Zuströme zur Erhaltung der Parks, finden Abertausende von Menschen ihr Brot. Und nicht zuletzt lebt davon eine über beinahe die ganze Welt verteilte Reiseindustrie, die vor allem gut Situierten die Geheimnisse dieses Kontinents wohl dosiert nahe zu bringen versucht.
Schon klar, die Big Five sind nicht alles. Weder für Afrika noch für Michael und mich. Aber nach Hause zu kommen und die allseits auf uns lauernde Frage: „Und? Habt ihr alle fünf gesehen?“, verneinen zu müssen, gefiel uns einfach nicht. Berechtigt oder nicht. Was fehlte uns also noch? Wasserbüffel gab es im Okawango-Delta an jeder Ecke. Den Elefanten waren wir ohnehin viel zu nahe gekommen. Löwe und Leopard machten sich zwar bei uns vorstellig, jedoch beide nur aus sehr weiter Entfernung, quasi plastikspielzeuggroß. Okay, das Naturerlebnis bei diesen Begegnungen war jedes Mal unübertrefflich gewesen, trotzdem wünschten wir uns ein wenig mehr Raubtier. Wollten quasi den heißen Atem der Katzen auf unserer Haut spüren. Fotos ohne Zoom. Wenn wir das wollten, sollten wir in einen Zoo gehen? Nein, wir würden unser Glück im südafrikanischen Hluhluwe-Imfolozi Nationalpark versuchen.
„In dem 96000 Hektar großen Park leben neben Löwen, Leoparden und Elefanten auch 1600 Breitmaul- und 350 Spitzmaulnashörner“, zitierte ich aus dem Gedächtnis unseren Reiseführer
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