Afrika im Doppelpack: Vater und Sohn mit dem Rucksack durch Schwarzafrika
Mäuerchen wackelte, ehe sie auf den letzten Zentimetern dann doch beinahe noch hingefallen wäre. Wenigstens hatten wir so ausreichend Zeit, die märchenhafte Stimmung in uns aufzusaugen, die der über die Hänge wabernde Nebel im warmen Licht der aufgehenden Sonne ein ums andere Mal neu erschuf.
Es führte ein höchstens schulterbreiter Pfad steil bergauf durch dichtesten Urwald. An einigen Stellen war er bereits schon wieder so zugewachsen, dass Alan mit einer Machete den einen oder anderen Ast zurechtstutzen musste, ehe wir uns daran vorbei quetschen konnten. Der Untergrund war ausnahmslos glitschig wie ein Aal, sodass jeder einmal an der Reihe war, wegzurutschen. Meistens gelang es, sich noch schnell irgendwo festzuhalten. Nur Hans wollte es sich partout nicht nehmen lassen, einmal die Saugfähigkeit seiner neuen Jack Wolfskin-Jacke im Matsch der ertragreichen, schwarzen Vulkanerde zu testen. Nach einer halben Stunde gehörte es bereits zum guten Ton, dass die Knie schwarz eingesaut und die Füße tropfnass waren. Dass unsere beiden ruandischen Pfadfinder nicht aus dem Gleichgewicht gerieten, sondern zu hundert Prozent trittsicher und wie auf Schienen gezogen die Hänge erklommen, brauche ich sicher nicht zu erwähnen.
Das Ganze war genau nach Michaels Geschmack. Mehr Abenteuer ging im Moment nicht. Es war schon erstaunlich, mit welcher Freude er bei der Sache war. Nicht nur allein der Berggorillas wegen. Während sich unsere Karawane Meter um Meter voran kämpfte, fand er Zeit für die kleinen Dinge. Beobachtete versonnen eine Kolonne Wanderameisen am Wegesrand oder machte mich auf die fein ziselierten Baumkronen aufmerksam, die vom schräg einfallenden Sonnenlicht zu seiner Freude aus der Anonymität des Waldes geholt wurden. Er entwickelte sich zusehends zu einem Naturgenießer. In der High-Tech verseuchten Umgebung eines mitteleuropäischen Kinderzimmers, dank PC-Games, Xbox, Playstation, Mobiltelefon und Flachbildfernseher, undenkbar.
Michaels Stimme riss mich aus meinen Überlegungen. Wir waren auf einer kleinen Lichtung angekommen, auf der uns eine Gruppe Fährtenleser erwartete. Als Verstärkung für Alan und damit sich Mensch und Affe nicht in die Wolle bekamen. Wir versteckten die Tagesrucksäcke im Dickicht, ab hier ging es nur mit unseren Fotoapparaten bewaffnet weiter. Der Adrenalinspiegel stieg. Ich sah Michael an, der mir mit einem vielsagenden Blick zu erkennen gab, bereit zu sein. „Passt mit deinem Fotoapparat alles, Papa?“, sorgte er sich um unsere Bildausbeute des heutigen Tags. „Ja, das werden die Fotos unseres Lebens. Pass auf dich auf, Michael.“ Wir umarmten und drückten einander wie vor Verleihung der olympischen Goldmedaille. Dann marschierten wir allen anderen voran los.
Die ersten beiden Berggorillas waren die Späher der Gruppe, deren Aufgabe es ist, die anderen zu warnen und etwaige Feinde todesmutig in die Flucht zu schlagen. Uns wollten sie nicht vertreiben. Diese aufdringliche Primatenart war ihnen hinlänglich bekannt. Die Umubanos wurden schon seit Jahren habituiert. Was hieß, dass ihnen Wildhüter auf ihren Wanderungen durch die Wälder auf Schritt und Tritt folgten, sich von ihnen bedrohen und sogar angreifen ließen, bis auch der misstrauischste Berggorilla davon überzeugt werden konnte, dass von den haarlosen Bohnenstangen in ihren grünen Gewändern keine Gefahr ausging.
Die beiden würdigten uns jedenfalls keines Blickes. Alan erklärte uns, dass es sich um heranwachsende Männchen handelte, mit denen man sich als Eindringling besser nicht anlegte. Das hätte er nicht extra zu betonen brauchen. Die beiden waren mit mehr Muskeln bepackt als Arnold Schwarzenegger in „Conan der Barbar“. Wie erst mochte ein ausgewachsenes Männchen daher kommen, ein sogenannter Silberrücken?
Ich hatte gerade ein anderes Problem. Wir waren dazu angehalten worden, unter allen Umständen tunlichst jeden direkten Blickkontakt mit den Gorillas zu vermeiden, niemand sagte uns jedoch, wie wir uns eigentlich zu verhalten hätten, sobald sie uns mit ihren dunkelbraunen Augen fixierten, als ob jetzt kleine Primatenbabys gemacht würden. Aber mal ganz ehrlich, irgendwie gefiel mir King Kongs Blick. Etwas Warmherziges lag darin. Sympathisch wie bei einem Menschen. Wenn man Glück hatte. Eine wie auch immer geartete Aggression oder gar Wildheit konnte ich nicht erkennen. Es war schon erstaunlich, zu welch unerwarteten Einsichten man hier inmitten eines Szenarios, wie zu Beginn der
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