Afrika im Doppelpack: Vater und Sohn mit dem Rucksack durch Schwarzafrika
und englischsprachige Bücher teuer. Es war schließlich Michaels Idee, das Trinkgeld mit der Post zu schicken.
Und dann war der große Tag gekommen. Der Tag, an dem wir den letzten ihrer Art gegenüberstehen würden. Den Gorillas im Nebel, wie sie mit einem Hang zum Mystischen gern genannt werden. Bereits um 05.00 Uhr ging der Countdown los. Aufstehen, Zähne putzen und eine Handvoll Leitungswasser ins Gesicht, Frühstück mit Wasserkaffee, Brot und Marmelade, Hans noch mal Danke sagen fürs Mitnehmen. Anschließend ein letzter Check der Fotoapparate und last, but not least, ein abschließender Boxenstopp. Denn bei den Gorillas darf kein Stuhl hinterlassen werden – Infektionsgefahr. Die Regeln waren streng.
Zum Hauptquartier des Parc National des Volcans waren es keine 50 Meter. Dort hatte sich bereits eine halbe Hundertschaft Tracking-Touristen aus aller Herren Länder versammelt. Es dominierte das Premium-Segment, also höchstens eine Stufe unter Jetset. Herren mit sonorer Stimme und den grauen Schläfen eines Alphatieres diskutierten lebhaft mit vertrockneten Frauen, deren Gamaschen mehr gekostet haben mussten als unsere Flugtickets. Als wir uns den Weg durch die Menge bis zum Schalter bahnten, kamen wir uns vor wie auf einem Kongress von Bundesrichtern oder mindestens Neurochirurgen.
Vor dem Verwaltungsgebäude mussten wir erst einmal warten, denn innen steckten die Guides der einzelnen Reiseveranstalter und die Wildhüter gerade die Köpfe zusammen, um auszutüfteln, welche Reisegruppe welche Berggorilla-Gruppe besuchen durfte. Die Spannung draußen war zum Greifen nah, denn es entschied sich, ob der Marsch in die Buschreihe, in der die Gorillas gerade frühstückten, sechs Stunden oder nur eine bis zwei dauern sollte. So richtig spannend war es aber eigentlich auch wieder nicht. Dafür sorgten nicht zuletzt die kleinen, grünen Papierscheinchen mit dem Antlitz Benjamin Franklins, die unter den Rangern verteilt wurden und dafür garantierten, dass sich ein honoriger Kongressabgeordneter nur eine halbe Stunde, die Gruppe drahtiger Japaner dafür bis zum Sonnenuntergang durch das Dorngebüsch quälen musste. Alles natürlich hinter vorgehaltener Hand, denn in Ruanda gab es ja keine Korruption oder ähnliches Teufelszeug.
Wir hatten Glück im Unglück, denn unsere Gorillas waren die Umubano-Gruppe. Die 11 Mitglieder der Umubanos hatten ihre Zelte an den Hängen des Visoke-Vulkans in knapp 3000 Meter Höhe aufgeschlagen. Glück für uns, da wir für die einfache Wegstrecke nur einen Fußmarsch von gut einer Stunde zu bewältigen hatten, wobei ich rein gar nichts dagegen einzuwenden gehabt hätte, die Ausdünstungen des langsam erwachenden Bergregenwalds noch ein wenig länger zu inhalieren. Unglücklich für uns war, wenn man überhaupt davon sprechen wollte, die mehr als einstündige Anfahrt über eine Straße, die den Namen nicht verdient hatte und mehr Kraftstoff und fahrerisches Können erforderte als wahrscheinlich jede andere Wegstrecke auf dem Kontinent. Aber das war nicht unser, sondern Hans‘ Problem.
Wir hatten dafür Martha. Sie gehörte zu Ben und Yvonne, einem jungen franko-kanadischen Pärchen aus Toronto, und war Yvonnes Mutter. Ehefrau eines Baumagnaten. Aufgeschlossen und resolut, eben eine, die hinlangen konnte. Und eine, die hinkte. Die kurz vor dem letzten Briefing noch schnell die Krücke gegen einen Gehstock wechselte. Viel Spaß beim Schieben, Ben.
Vom Abstellplatz unserer Geländefahrzeuge zwischen ein paar windschiefen Hütten aus Lehm und Wellblech liefen wir einige hundert Meter steil bergauf, bis wir an eine hüfthohe Steinmauer kamen, die die Grenze des Nationalparks markierte und klandestine Kartoffeläcker von urwüchsigem Bergnebelwald trennte. Zu sechst standen wir im Halbkreis um Alan, unserem Park Ranger, und ließen uns noch ein letztes Mal einschärfen, was wir zu tun und zu lassen hatten, sobald wir auf die Berggorillas trafen. Unterstützt wurde Alan von Gunman, seinem weitaus unsympathischer dreinblickenden Kollegen, der schon jetzt mit locker um die Schulter gehängter Kalaschnikow professionell ins Dickicht spähte.
Dann ging es endlich los. Martha kämpfte noch mit der Steinmauer, da waren Michael und ich an den Fersen unseres Gunmans schon fünfzig Meter weiter – ehe wir von Alan zurückgepfiffen wurden. Zusammenbleiben hieß die Devise. Also sahen wir zu, wie Martha, gestützt auf Ben und Alan, im Zeitlupentempo und Schritt für Schritt über das
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