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Afrika im Doppelpack: Vater und Sohn mit dem Rucksack durch Schwarzafrika

Afrika im Doppelpack: Vater und Sohn mit dem Rucksack durch Schwarzafrika

Titel: Afrika im Doppelpack: Vater und Sohn mit dem Rucksack durch Schwarzafrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Haas
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Schuld und nicht der bereits bedenklich hochkochenden Volksfeststimmung um uns herum. Nach ein paar beeindruckenden Volleyschüssen und senkrecht davon prallenden Sidefallkicks konnten wir es kaum erwarten, endlich wieder ausgewechselt zu werden. Mit platt geklopften Schultern und gefeiert wie die Helden durften wir schließlich wieder von dannen ziehen.
    Den nächsten Trumpf, den Joseph aus dem Ärmel schüttelte, waren die Batwa. Als Michael etwas von Pygmäen hörte, spitzte er die Ohren. Das war das Richtige für ihn, das versprach Abenteuer und zünftige Erinnerungsfotos. Bei dem Volksstamm der Batwa – auch kurz Twa genannt – handelte es sich um die ursprünglichen Bewohner Ruandas, die etwa seit Beginn der christlichen Zeitrechnung zuerst von den Hutu und später von den mit ihrem Weidevieh ins Land ziehenden Tutsi verdrängt worden waren. Mittlerweile machten sie weniger als ein Prozent der Bevölkerung aus. Zu allem Übel bereitete ihnen die Einrichtung des Nationalparks große Schwierigkeiten. Durch die rigorose Grenzziehung wurde ihnen, den Jägern und Sammlern, der Zutritt in ihre Speisekammer verwehrt: Ohne Wald kein Jagen und Sammeln. Notgedrungen lebten sie daher offiziell in ihren von der Regierung bereitgestellten Hütten, besuchten aber keine Schule, konnten weder lesen oder schreiben, noch gehörte ihnen eigenes Land. Der einzige Broterwerb, der ihnen blieb, war, sich als Tagelöhner bei den umliegenden Bauern zu verdingen. Was sie zu einem Leben in extremer Armut am untersten Ende der sozialen Hierarchie verurteilte und einem autarken, selbstbewussten Leben unter Gottes freier Natur mit nichts als einem luftigen Blätterdach über dem erhobenen Haupt diametral entgegenstand.
    Aber nicht alle gaben sich geschlagen. Jene, die sich mit einem staubigen Platz im Straßengraben für ihren aus lauter Frust vollgesoffenen Pygmäenleib nicht zufrieden geben wollten, nahmen das Heft des Handelns in die eigene Hand. Überließen ihre windschiefen Hütten jedem, der sie haben wollte, und kehrten in ihren vertrauten und von ganzem Herzen geliebten Wald zurück. Dort nahmen sie erneut ein Leben auf wie zu Anbeginn der Menschheit. Illegal, aber doch geduldet, solange sie nur die Finger von den Devisenbringern ließen – den Berggorillas.
    Der einstündige Marsch zum Dorf der Pygmäen führte uns durch das Afrika der Tanja Blixen. Ins Auge aber sprang die dunkle Kehrseite einer glänzenden Medaille, der Glanz war erst für morgen reserviert. Die Dörfer der Zeit entrückt und oft noch ohne Strom. Kleinstparzellen mit saftiger, schwarzer Erde, aber gerade noch groß genug für eine Subsistenzwirtschaft wie anno dazumal. Mit Häusern aus Lehmziegeln, im besten Fall mit Wellblechdächern. Die Kinder im grauen Staub wie Kobolde, rotzverschmiert und mangelernährt. Und weit und breit kein einziger Alter – wie in Afrika Usus. Dafür überall die Kolonnen der leuchtend gelben Wasserkanister auf den Köpfen der Frauen, ohne deren Fron die Küche kalt und die Wäsche schmutzig bliebe.
     

    Bild 20: Auf dem Weg zur Siedlung der Batwa Pygmäen. Im Hintergrund der Vulkan Sabinyo.
     
    Die Siedlung der Batwa versteckte sich inmitten von abgeernteten Feldern und war noch primitiver als alles, was wir bis jetzt gesehen hatten. An dem widrigen Flecken hielt sich keine Menschenseele auf. Es war überhaupt fraglich, ob die Batwa jemals an diesem Ort gewohnt hatten. Darauf fand sich jedenfalls außer einer Handvoll leerer Hütten und einer schäbigen Müllhalde nicht der geringste Hinweis. Und nicht einmal die Abfälle fühlten sich hier wohl. Als hieße es, rette sich wer kann, kamen sie uns vom Wind entgegen geweht. Trostlos, aber auch diese Erkenntnis wollte erst erkannt werden.
    Bevor wir uns verabschiedeten, überraschte Joseph uns ein weiteres Mal. Empört wies er meinen diskret zugesteckten Geldschein zurück. Nicht wir hätten uns zu bedanken. Nein, er stehe in unserer Schuld. Für die Lektion in Englisch und den Auftritt bei seinen Freunden. Oh Menschenherz! Aber einen Wunsch hatte er dann doch: Ein Buch, genauer gesagt, ein zweites Exemplar des einzigen an seiner Universität für alle Studenten zum gemeinsamen Gebrauch reservierten Chemiebuchs. Wer dieses Buch sein Eigen nennen konnte, hatte den ultimativen Zugang zu Wissen und Macht. Macht in Form von Mieteinnahmen. Pflichtbewusst notierten wir Titel und Adresse und versprachen hoch und heilig, uns in Deutschland darum zu kümmern. Aber der Weg dorthin war weit

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