Afrika im Doppelpack: Vater und Sohn mit dem Rucksack durch Schwarzafrika
Schöpfungsgeschichte, kam.
Wir folgten unseren Wildhütern tiefer in den Wald hinein. Mit ihren Macheten schlugen sie auf das undurchdringliche Buschwerk ein, dass es nur so krachte. Um die Tiere zu beruhigen, grunzte Alan wie ein Berggorilla. Und die antworteten tatsächlich. Nur leider verstanden wir nicht was. Nach und nach rückten uns immer mehr von ihnen auf die Pelle. Zwei kleine, kaum den Kinderschuhen entwachsene Exemplare tollten vorwitzig durch das Unterholz und rauften dabei miteinander wie die Lausbuben. Am liebsten hockten sie beisammen und stopften ihre Lieblingsspeise, die abgerissenen Blätter einer an eine Distel erinnernde Sellerieart, in sich hinein. Durch eine raffinierte Technik, bei der die Blätter mit der Hand in einem Zug vom Stängel gerupft wurden, gelang es ihnen, die spitzen Blattteile so zusammenzupressen, dass sie sich, ohne Schmerzen zu verursachen, in ihr Maul stecken ließen.
Das Oberhaupt, der Silberrücken, saß etwas abseits der Gruppe zwischen seinem Sellerie und ließ sich die Sonne auf den silbrigen Pelz brennen. Er schenkte uns keinerlei Beachtung – und das war auch mehr als gut so. Er war ein Ehrfurcht gebietender Riese mit Händen wie Abortdeckel und einem rammbockgleichen kubischen Knubbel auf dem Schädel. Michael und ich taxierten ihn ausgiebig. Wir kamen aber schnell überein, dass von ihm keine Gefahr ausging. Jedenfalls solange man ihn nicht triezte. Sein relaxter Bewegungsablauf, die behäbige Art, wie er auf sein verstreut im Unterholz kauerndes Volk achtgab, ließen keinen anderen Schluss zu. Er war seiner Gefolgschaft sicher ein gutmütiger und wohlgesonnener Führer.
Ein Führer, der, wie es in seiner Pflicht stand, die Weibchen großzügig mit Nachwuchs versorgte. Das Nesthäkchen war gerade einmal drei Wochen alt und hing als schwarzes Wollknäuel im Fell seiner Mutter. An anderer Stelle hatte es sich eine junge Mutter rücklings im hohen Gras bequem gemacht und wiegte dabei herzzerreißend liebevoll ihr auf dem Bauch liegendes Junges. In einem Augenblick für die Ewigkeit suchten Mutter und Baby eindringlich den Blickkontakt mit uns Besuchern, während wir vor lauter Entzücken gar nicht mehr wussten, welche Einstellrädchen wir an unseren Fotoapparaten drehen sollten. Wie wir alle überhaupt viel zu viel Zeit damit verschwendeten, für Erinnerungsfotos zu posieren und die Apparate dabei rattern ließen wie die Schnellfeuergewehre.
In dem eindringlichen Blick des Weibchens ließ sich das unübertreffliche Glücksgefühl einer zufriedenen Mutter, ja, ein zutiefst menschlicher Ausdruck von Harmonie, Geborgenheit und Liebe ablesen. Als gäbe es auf der ganzen Welt nur sie und ihr Kind. Zweifellos mehr Mensch als Tier. Es war ein magischer Moment für uns alle.
Nur Martha spürte noch mehr. Wollte die Schwingungen auf sich vereint wissen. Und konnte nicht anders, als zwanghaft zu versuchen, alles auf den Punkt zu bringen: „Oh Jesus, that`s the moment!“, flüsterte sie immer wieder mit einer Ausschließlichkeit und dem Pathos einer Dian Fossey. Nicht ahnend, mit welcher Ausschließlichkeit und verheerenden Wirkung diese Worte an die Ironie-Rezeptoren in Michaels und meinem Gehirn andocken sollten.
Bild 21: „Oh Jesus, that`s the moment!“
Zwei Sachen prägten sich uns ganz besonders ein. Zum einen, der über allem liegende Geruch nach Sellerie, den Michael und ich auch in Zukunft immer mit den Berggorillas verbinden werden. Und deren Schalkhaftigkeit. Denn, als hätten sie uns nicht schon genug unterhalten und verzaubert, mussten sie uns zu guter Letzt auch noch zeigen, dass sie Humor hatten.
Und wer hätte sich für eine spaßige Showeinlage besser angeboten als der Kleinste und Kahlköpfigste der heutigen Besuchergruppe? Ich war gerade dabei, mir mit einem Blatt einen schmierigen, in der Konsistenz an hart gewordene Knetmasse erinnernden Klumpen dunkelgrünen Berggorillakots von meinem rechten Schuh zu putzen, als ich von hinten einen nicht allzu zärtlichen Schlag gegen meinen linken Oberschenkel erhielt. Etwas abgelenkt durch diese widerwillige Beschäftigung registrierte ich nicht gleich, dass der Hieb nicht von Michael, sondern von einem der Berggorillas stammte.
Erst, als ich einen zweiten Schlag, diesmal etwas nachdrücklicher, erhielt, fiel mir auf, dass Michael gar nicht neben mir war, sondern sich mit einem schelmischen Grinsen und schussbereitem Fotoapparat zwischen ein paar Riesenlobelien vier oder fünf Meter neben mir
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