Afrika im Doppelpack: Vater und Sohn mit dem Rucksack durch Schwarzafrika
erfahren. So banden wir uns wieder die imaginären Stirnbänder um und ließen um unser Feuer noch einmal die Traveller-Szene unseres Jerusalems der 1980er Jahre auferstehen, hörten den beiden jungen Israelis gespannt zu, als sie berichteten, was sich seitdem alles verändert hatte, und diskutierten mit Sorge über die ungewisse Zukunft des Heiligen Lands.
Bis Kinigi waren es vier Stunden lockerer Busfahrt über verhältnismäßig gut ausgebaute Asphaltstraßen. In der Pause gab es frisch gepressten Maracuja-Saft und leckere Spieße mit gegrilltem Ziegenfleisch. Je näher wir unserem Ziel aber kamen, desto löchriger wurden erstaunlicherweise die Straßen. Glaubte man den offiziellen Stellen, kam ein Teil des Erlöses aus dem Gorilla-Tourismus den örtlichen Kommunen zugute. Zumindest war dieses Geld nicht in den Straßenbau geflossen. Wie überhaupt in Ruanda das Geld seltsam verteilt zu sein schien. In Kigali sahen wir nicht nur einmal bettelnde Straßenkinder mit ihren kugelrunden Bäuchen an den verdunkelten Scheiben der neuesten und zigtausend US-Dollar teuren Porsche Cayenne- und BMW X5-Modelle kleben. Ein Bild, an das wir uns in Afrika – so herzzerreißend schon der Gedanke daran sein mag – bereits gewöhnt hatten.
Joseph war einmal eines dieser Kinder gewesen. Er lauerte uns auf, als wir durch das Hoftor des Kinigi Guesthouse geschlendert kamen, in dem wir uns für die Nacht vor dem Gorilla-Tracking einen dunklen, schmuddeligen Bungalow gemietet hatten. Im bezahlbarsten, aber beileibe nicht dem besten Haus am Platz. Joseph stellte sich uns als Student der Chemie vor, der seine Sprachkenntnisse trainieren wollte. Unentgeltlich – er erwähnte es ganz nebenbei – wollte er uns durch Kinigi führen. Die immer gleiche Leier, egal, wohin wir kamen. Afrika war voll mit Josephs, die noch im entlegensten Hinterhof ihre Hilfe anboten. Was zwar oft genug nervte, mitunter aber kein Nachteil zu sein brauchte. Denn wer auf dem Schwarzen Kontinent verloren oder vor die Hunde ging, war nicht selten selbst schuld. Für kleines Geld, oft weniger als einen Dollar, war es möglich, die beste Reiseversicherung abzuschließen, die es gab. Und das waren die Josephs dieser Welt. Der sicherste Schutz gegen aufsässiges Volk oder – schlimmer – richtige Ganoven, war noch immer die Begleitung durch einen Einheimischen. Womit jedem geholfen wurde, blieb der Lohn für ein Dasein als Eskorte an vielen Tagen doch oft das einzige Einkommen.
Waren Michael und ich irgendwo neu, ließen wir uns führen, wann immer es nur ging. Auch die vielen Kofferträger hießen wir allzeit herzlichst willkommen. Wir wurden niemals enttäuscht. Nicht einmal verschwand einer unserer Rucksäcke im Getümmel eines Bahnhofsvorplatzes, wie es uns von ein paar Hasenherzen prophezeit worden war. Und verlaufen haben wir uns auch nie. Wir bezahlten immer so viel, wie gefordert wurde, und verzichteten zum Schluss sogar darauf, den Preis vorher auszuhandeln. Nur in den allerwenigsten Fällen erwies sich jemand als unverschämt und forderte uns heraus. Aber auch das war nicht weiter schlimm. Wohlgemerkt: Die Summe, um die es ging, war selten mehr als ein paar Dollar, manchmal nur 20 oder 30 Cent.
Kinigi war ein Nest. Außer einem grandiosen Blick auf die Kette der Virunga-Vulkane hatte es nichts zu bieten. Also überließen wir Joseph die Regie. Und der legte los. Wir waren die erste Kundschaft seit Langem, und er hatte nichts Besseres zu tun, als uns seinen Kumpels vorzustellen: einem Haufen undisziplinierter Amateurkicker. Mit uns im Schlepptau marschierte er unter großem Hallo über den Kartoffelacker, auf dem sie gerade trainierten und ließ alle wie bei einer Militärparade antreten. Was – jeder kann es sich vielleicht denken – nicht ohne größtmögliches Geblödel und Gekichere ablief. Dann stellte er jeden einzeln vor und bat zum Gruppenfoto. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich bereits das halbe Dorf versammelt. In der ganzen Meute konnte ich Michael nur noch an seinem roten Trikot des FC Bayern München erkennen, das natürlich jeder als Geschenk haben wollte, aber niemand bekam. Lieber hätte er sich die Haut vom Körper ziehen lassen als sein Lieblings-Leibchen, bescheinigte er mir später mit einem Blick wie Django beim Duell.
Dafür mussten wir Fußballspielen. Was sicher auch noch kein anderer Tourist vor uns hier gemacht hatte. Natürlich hielten wir es als Hauptattraktion nicht lange aus, gaben aber der dünnen Höhenluft die
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