Afrika im Doppelpack: Vater und Sohn mit dem Rucksack durch Schwarzafrika
flattern wollten?
Zuallererst jedoch mussten wir uns um die Schimpansen kümmern. Um zu ihnen zu gelangen, standen uns zwei Stunden gemütlichen Fußmarsches durch unberührten Primärregenwald bevor, ehe wir allmählich darauf hoffen durften, die ersten Gruppen aufzustöbern. Es war geplant, etwa zwei Stunden mit den Schimpansen zu verbringen, ihnen, sollte es notwendig werden, bei ihrer Wanderung durch den Wald zu folgen, und anschließend auf dem schnellsten Weg wieder zur Station zurückzukehren.
Michael war herrlich aufgeregt, er konnte es kaum mehr erwarten, endlich, endlich Schimpansen zu Gesicht zu bekommen. Mit Leib und Seele bei der Sache trabte er direkt hinter Smart durch den Galeriewald, der sich, je weiter wir in ihn vorstießen, in den unteren Etagen immer mehr zurückzog. Außer Insekten bekamen wir trotz der relativ guten Rundumsicht keine Tiere zu sehen. Vor allem Schmetterlinge flatterten in unzähligen Variationen an uns vorbei oder versammelten sich an feuchten Stellen, wohl um Mineralsalze aufzunehmen, wie uns Smart erklärte. Hie und da eine Ameisenstraße, nicht selten von den für ihr überfallartiges Auftreten berüchtigten Treiberameisen, die in einem meterlangen Heereszug vieltausendköpfig – die größten Soldaten sicherten den Zug nach außen hin ab – über den Pfad mäanderten, das war es dann animalischerseits aber schon.
Bis wir die ersten Schreie hörten. Von einem Moment auf den anderen und ohne jede Vorankündigung bohrte sich das uns wohlbekannte, im Verlauf einer Sequenz immer schriller ansteigende Geschrei in die Ohren, bis es begann, so richtig wehzutun. Unter dem Dach des Regenwaldes hallten die Rufe der Schimpansen wider, als hätte jeder einen Verstärker umhängen. Bis wir sie endlich zu sehen bekamen, dauerte es aber noch. Was uns jedoch ziemlich schnell ins Auge stach, waren die anderen Besuchergruppen, die sich mit uns in Kanyanchu versammelt hatten und bereits vor uns losgelaufen waren. Eine aufgekratzte Horde, die ihre Zeigefinger, Ferngläser und Teleobjektive auf jene Stellen in den Baumkronen richtete, wo ein Großteil der Schimpansen die meiste Zeit über faul in ihren aus kleinen Ästen und langen Halmen gebauten Nestern lag und den Herrgott einen guten Mann oder, so viel Correctness muss sein, eine gute Frau sein ließen.
Michael war sofort Feuer und Flamme. Ging auf in einer Welt aus Schimpansen. Das Fernglas gegen das Nasenbein gedrückt, den Blick steil nach oben gerichtet, sprang er unter den Bäumen herum und pfiff dabei auf sämtliche von Mutter Natur für Guck-in-die-Lufts ausgelegte Fußangeln und Fallgruben. Ohne zu stürzen. Wie ein von Geisterhand geführter Schlafwandler.
Entsprechend der hiesigen Etiketteholte auch ich den Fotoapparat heraus und schraubte mein längstes Teleobjektiv auf. Erst durch das 200 mm-Objektiv war zu erkennen, wie herrlich lässig die Schimpansen sich auf ihren Bio-Triclinia fläzten. Auf dem Rücken liegend, mit über dem Kopf verschränkten Armen, die Beine weit auseinander, wie Herodes während der Gladiatorenkämpfe.
Aus allen Richtungen waren die geflüsterten Ahs und Ohs begeisterter Primatenfans zu vernehmen. So leise wie nur irgend möglich, um nur ja keinen von ihnen aus seinem Dämmerschlaf zu reißen. Denn das mochten sie nicht, die Schimpansen. Aufgescheucht zu werden, durch irgendetwas, das wir von hier unten oder sie von dort oben nicht gleich ausmachen konnten. Dann schrien sie wie die Wilden und fetzten wie von der Tarantel gestochen durch die Wipfel. Aber das kam nicht oft vor. Meist blieben sie im Energiesparmodus regungslos liegen und ließen uns aus sicherer Entfernung zoomen und wie die Besessenen im Dauerfeuer mit den Kameras klicken.
Uns alle? Nein, nicht Amy und Sophie. Sie rückten stattdessen Michael und mir auf die Pelle. Amy wollte von mir wissen, ob wir nur – sie sagte tatsächlich „nur“ – diesen einen kleinen Ausflug zu den Schimpansen machten oder auch Teil der „Chimpanzee Habituation Experience“ waren. Als sie das sagte, spitzte sie ihre Lippen, als wäre sie gerade dabei, hoch konzentriert das Portadersystem einer kranken Leber abzuklemmen. Ich wusste nicht, wovon sie sprach. „Es handelt sich dabei um die ein-, im besten Fall aber mehrtägige Teilnahme an der Habituierung von Schimpansen unterschiedlichen Habituierungsgrads“, erklärte sie Michael und mir von oben herab, nachdem wir durch unseren möglicherweise etwas dümmlichen Gesichtsausdruck verraten hatten, von
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