Afrika im Doppelpack: Vater und Sohn mit dem Rucksack durch Schwarzafrika
immer nur in Autos zu sitzen. Autofahren kann ich in Deutschland noch oft genug.“ Das war mein Junge, immer zu einem Kompromiss bereit.
„Wenn wir mit John zufrieden sind, können wir mit ihm auch eine Tour zu einem der Kraterseen in der Umgebung unternehmen. Mit einem Moto kommen wir Offroad sowieso besser voran“, vollendete ich mehr als zufrieden unsere Reiseplanungen und sah meinen von den Strapazen des Schimpansen-Trackings gemarterten Körper schon in das kühle Wasser platschen.
Bild 29: Morgengrauen im Kibale Forest
John hatte natürlich am nächsten Morgen Zeit für uns. Punkt sechs rollte er mit seinem Moto auf den kleinen Schotterplatz vor Chimps‘ Nest und begrüßte Michael und mich mit dem gewinnendsten Lächeln, das uns seit Langem zuteilwurde. Er war ein halsloses, pechschwarzes Muskelpaket, dem der Schalk ins Gesicht geschrieben stand – auf Anhieb sympathisch. Ein Goliath, der sich uns gegenüber verantwortlich fühlte wie eine Mutter ohne Brust, dafür mit Händen, groß wie Abortdeckel. Die Preisfrage, wie viel die Tour kosten sollte, war schnell geklärt. Eine Sache aber juckte in den riesigen Fingern, durfte um keinen Preis ein Geheimnis bleiben: Wie konnte es sein, dass Michaels Haut um so vieles dunkler war als die seines Vaters? Eine Frage, die uns überallhin verfolgte und – darauf konnten wir uns verlassen – täglich einholte. Best, Schmolli, Moses, Deus, alle trieb die Neugier. Und jeder hätte Haus und Hof darauf verwettet, Michaels Mutter müsse eine Afrikanerin sein. Die Lösung des Rätsels überraschte, verwunderte, enttäuschte vielleicht auch ein wenig – und erzeugte Nähe, eine Spur von Intimität. Ließ uns, die bestaunenswerten Fremdkörper, den Menschen näherkommen. Näher als andere Reisende kamen, kommen durften und kommen konnten. Immer auf Augenhöhe, frei, hoffentlich frei von Überheblichkeit und Attitüden. So starteten wir voll Vorfreude und im Bewusstsein, einen guten Tag vor uns zu haben, auf Johns mehr als 20 Jahre altem Moped zu den Schimpansen von Uganda.
In der Nationalparkstation Kanyanchu gelang es uns nach einigem Hin und Her tatsächlich, zwei Plätze in einer der Besuchergruppen für das morgendliche Schimpansen-Tracking zu ergattern. Damit war unser Glück für den heutigen Tag aber bei Weitem nicht aufgebraucht. Wir hatten, ohne es zu ahnen, mit unseren neuen Weggefährten einen Volltreffer gelandet.
Amy, 61 Jahre, und Sophie, 63 Jahre alt, stammten aus Boston und hatten ihre gut bezahlten Jobs in einer Klinik für Transplantationsmedizin schon vor einiger Zeit an den Nagel gehängt. Um gemeinsam durch die Welt zu reisen. Und nicht zuletzt, um ihrer großen Liebe, den Primaten, und da ganz besonders den Schimpansen, nahe zu sein. Wie nahe sie sich gegenseitig waren, ließen sie nicht erkennen. Wahrscheinlich wollten sie im homophoben Uganda nicht riskieren, in Kalamitäten zu geraten.
Ihr Äußeres war – beeindruckend. Ja, ich denke, so kann man es durchaus bezeichnen. Ihre Gesichter glichen sich wie ein Ei dem anderen. Nicht so, dass man meinen könnte, sie wären Zwillinge oder nahe Verwandte. Es war der verbitterte, miesepetrige Ausdruck in ihren an verschrumpelte Rosinen erinnernden Gesichtern, der sie einander so ähnlich machte. Wie hieß es doch gleich so schön: Nach langen Jahren des Zusammenlebens beginnen die Ehepartner einander ähnlich zu sehen – Chapeau!
Dazu kam, vorsichtig ausgedrückt, ihr exaltierter Stil sich zu kleiden. Während Michael und ich wie die meisten der etwa dreißig auf ein halbes Dutzend Gruppen verteilten Touristen aus aller Herren Länder in funktioneller Outdoorbekleidung aufmarschiert waren, hüllten Amy und Sophie ihre ausgemergelten Körper in schlabbrige, kaum knielange Jogging-Anzüge. Die nackten, dürren Beine endeten in ausgelatschten, bunten Gummistiefeln, die souverän von dem blaugrünen Krampfaderngeflecht ablenkten, das sich von den früh verrenteten Kniekehlen in Richtung der Oberschenkel ausbreitete und in denen sie so unsicher durch das nasse Gras stakten wie ein Marabu-Pärchen über dampfende Abfallhaufen.
Während des kurzen und präzisen Briefings, das wir nach den üblichen Kennenlernfragen zum Woher und Wohin von Smart, dem Ranger, der heute unser Führer sein sollte, erhielten, kamen sie aus dem Schwatzen nicht mehr heraus, als hätten sie alles schon hundertmal gehört. Was für Paradiesvögel waren das denn, die die nächsten Stunden an unserer Seite durch den Wald
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