Afrika, Meine Passion
sitzen hinter einem sicheren Elektrozaun, während vor uns eine Live-Show stattfindet. Nachts liege ich im Zelt und lausche gespannt den Klängen der Natur. Ganz nahe an der dünnen Zeltwand schnüffelt ein Tier – welches, weiß ich nicht. Mitten in der Nacht wache ich auf, da vom Wasserloch lautes Löwengebrüll ertönt. Scheinbar wird gerade ein Tier gerissen. Wäre es nicht so dunkel und kühl, würde ich gerne zum Schauplatz laufen. So liege ich mit klopfendem Herzen, bis ich wieder einschlafe.
Am nächsten Tag fahren wir weiter durch den riesigen Nationalpark und bestaunen aufs Neue den vielfältigen Wildbestand. Doch so schön das alles ist, ich fiebere dem Trekking entgegen und der Wildnis ohne Zaun.
N ach über 1.000 Kilometern Autofahrt nähern wir uns der Ortschaft Okangwati, wo unser sechstägiges Trekking beginnen soll. Mir gefällt diese Gegend sehr gut, sie ist trocken und steppenartig und erinnert mich an Maralal in Nordkenia. Und außerdem sind die Zäune verschwunden.
Bei zwei ausgewanderten Deutschen, die ein einfaches Hilfsprojekt betreiben, können wir unsere Zelte aufschlagen und werden anschließend von der Dame des Hauses verköstigt. In völliger Dunkelheit, abends um neun Uhr, hält plötzlich ein Auto bei unserem Camp. Ein Mann steigt aus und trägt in der rechten Hand meine große schwere Reisetasche. Ich kann es kaum glauben, dass nach etlichen Telefonaten und vielen Stoßgebeten mein Gepäck buchstäblich in allerletzter Minute doch noch aufgetaucht ist. Der Überbringer ist uns 1.000 Kilometer nachgefahren und kehrt in derselben Nacht wieder nach Windhuk zurück. Ich bin überglücklich und kann zum ersten Mal seit Tagen meine Kleider wechseln.
Nach dem Frühstück begegne ich den ersten Himba. Zwei ältere Frauen überqueren das ausgetrocknete Flussbett, um in das Dorfzentrum zu gelangen, das aus drei einfachen Läden, einigen Bars und natürlich mehreren Kirchen besteht. Die Frauen sind von Kopf, inklusive Haartracht, bis Fuß mit rotem Butterfett eingestrichen. Wenn man vor den Himba steht, denkt man nicht an »schwarze« Afrikaner. Das rote Körperfett schützt die Haut vor Kälte, aber auch vor Sonne und Moskitos. Es ist sozusagen ein Bestandteil der Kleidung. Die zwei älteren Frauen tragen auf ihren Köpfen große Lasten, die in ebenfalls rot eingeriebene Tücher oder Ziegenlederbeutel verpackt sind. Ihre langen roten, kunstvoll eingedrehten Zöpfe lugen darunter hervor. Zwischen den nackten roten Brüsten baumelt eine weiße Schneckenmuschel und um den Hals tragen sie dezenten Schmuck. Am eindrucksvollsten finde ich den ledernen, ockerrot eingefärbten Lendenschurz. Vorne ist er sehr kurz, wie ein Minirock, und nach hinten wird er glockig und wadenlang. Die beiden sind barfuß unterwegs, tragen aber wie alle Himba einen etwa 15 Zentimeter hohen, schweren, silbernen Knöchelschmuck. Trotz ihres Alters wirken ihre Bewegungen graziös, während sie durch das sandige trockene Flussbett gehen. Erst diese Begegnung löst in mir das Gefühl aus, dass ich wieder in »meinem« Afrika bin. Ihr Anblick ergreift mich kolossal und mir steigen Tränen in die Augen. Zu sehr erinnern mich die Bilder an Barsaloi und die Samburu-Frauen.
Da noch Zeit bleibt bis zu unserem Aufbruch, schaue ich mich ein wenig im Dorfkern um. Immer wieder begegne ich nun den »roten Menschen«. Mal sind es junge Mädchen mit knospenden Brüsten, die große Kürbisse auf ihrem Kopf zum Markt tragen, mal sind es Mütter mit ihren Kindern auf dem Arm, die vor einer Bar sitzen. Ich bin erstaunt, wie viel Alkohol in den Bars angeboten wird. Offensichtlich wird hier nicht nur Bier konsumiert, sondern auch Hochprozentiges. Aus einer Bar ertönt laute Disco-Musik. In der Mitte des Raumes befindet sich ein Billardtisch, an dem sich drei junge Himba-Männer die Zeit vertreiben. Sie bieten ein groteskes Bild. Vorne tragen sie einen kurzen blauen Stofflendenschurz und hinten ein langes Stofftuch. Die Füße stecken in Socken und groben schwarzen Lederschuhen. Ihre Oberkörper sind mit modernen T-Shirts bekleidet. Ihren Hals ziert ein dicker Silberschmuckring. Die Haare sind links und rechts rasiert, und in der Mitte prangt ein großer schwarzer Zopf, der von einer Art Tuch oder einem Hütchen eingefasst und versteckt wird. Schnell wird mir klar, dass hier die Frauen die Attraktiveren sind. Die Männer wirken fast unscheinbar neben den rot leuchtenden weiblichen Wesen. Auch sind die Frauen offen, neugierig und sehr
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