Afrika Quer (German Edition)
zweite Familie ließ er hier, etwas außerhalb, mit den Tieren kampieren.
Der Weg nach Hurdiye brachte uns trotz des frühen Morgens ins Schwitzen. Wir gingen in die Richtung, die Abdullahi vorgeschlagen hatte, vorbei an respekteinflößend großen Dünen zuerst und zum Meer hin dann in eine völlig unbewachsene, trostlose Ebene. Schon lange vor dem Ozean war der Grund gläsern und glatt wie eine Eisbahn aus hartgebackenem Salz.
Unser Führer war nur in Flip Flops, den in Afrika allgegenwärtigen Plastikbadelatschen. Aber nach einer Weile trug er Abdullahis Gewehr über der Schulter und auch Nuredins Plastiktüte.
Nach einer solchen Reise konnte Hurdiye nur enttäuschen. Es war ein kleines Dorf direkt am Strand. Die schiefen Häuser aus Holz und groben Felssteinen schienen sich in den Sand zu ducken, weil sie nur so dem immer noch starken Wind widerstehen konnten. Einige waren verlassen. Dafür wurden an der Hauptstraße schon wieder neue gebaut.
Noch bevor wir richtig angekommen waren, versammelte sich gleich ein Haufen Neugieriger um uns, offenbar weil Abdullahi seine Verwandten schon über Funk von unserem Kommen informiert hatte. Damit kann man in Somalia sogar in solchen Nestern wie Hurdiye anrufen.
Wir wurden in eines der kargen Häuser geführt und bekamen Tee und etwas salziges Wasser. An den Wänden waren drei aus Holzstämmen zusammengenagelte Betten aufgestellt. In der Ecke stand eine Sturmlampe, am Boden lag eine rote Boje und ein Holzschiffchen, mit dem die Fischer ihre Netze reparierten. Wie vor der Hütte watete man in der Hütte durch lockeren Sand.
Abdullahis Cousin wartete schon ungeduldig. Wie unser Führer aus der Wüste trug er einen Kikoi, den schwarz-roten somalischen Wickelrock, und war Mitte 30.
Wann wir denn nun ein Boot nach Hafun mieten wollten, fragte er.
Ein Boot?
„Ja, natürlich ein Boot. Ihr wollt doch nach Hafun, oder nicht?“
Ja, schon..., sagte ich. Aber einen kleinen Augenblick noch. Wofür brauchen wir denn ein Boot? Hafun ist...“
„Aber ihr wollt doch nach Hafun, oder nicht?“, unterbrach mich der Cousin wieder. Er verstand wohl nicht ganz, worauf ich hinaus wollte, und das Geschäft schien ihm durch die Lappen zu gehen.
Anhand langwieriger Skizzen mit Papier und Kugelschreiber haben wir dann das Missverständnis aufgeklärt. Man konnte schon über Land nach Hafun fahren, erklärte der Cousin, und die anderen Fischer bestätigten das. Aber nur einmal in vier Wochen und das auch nur binnen weniger Stunden, wenn die Ebbe besonders niedrig ist.
Das änderte alles. Wenn das stimmte, war Hafun nach dem allgemein menschlichen Verständnis eine Insel und keine Halbinsel. Und wenn Hafun eine Insel war, dann konnte sie nicht der östlichste Punkt des Kontinents sein. Und wenn sie nicht der östlichste Punkt des Kontinents war, dann brauchte ich auch nicht hinzufahren. Der musste dann 150 Kilometer weiter nördlich am Kap Casayr sein. Das ist auch nicht weiter von Bosasso entfernt. Aber ich hätte es nur wissen müssen.
Auf meiner Michelin-Karte war vom Festland eindeutig eine Piste auf die Halbinsel Hafun und zur gleichnamigen Ortschaft eingezeichnet. Und auf den anderen Karten, die ich seitdem gesehen habe, ist Hafun ebenso als Festland eingezeichnet.
In einem historischen Aufsatz über das Somalia des frühen 19. Jahrhunderts ist auch von der „Landzunge Ras Hafun“ die Rede.
Vielleicht war seitdem die Landverbindung versunken, oder sie wurde überschwemmt? Möglich war natürlich auch, dass die Fischer logen, weil ihnen in diesem Fall ein Geschäft durch die Lappen ging. Allerdings habe ich ja selbst gesehen, dass das Land vor Hurdiye wie eine Insel aussah. Und dass es eine Landverbindung weiter südlich gibt, wie sie auf der Karte eingezeichnet ist, hielt ich für ausgeschlossen. Man hätte sie sehen müssen. Denn die Insel im Wasser war eindeutig zu erkennen. Und die Entfernung vom Festland zur Insel ist auf der Karte ebenso groß eingezeichnet wie die von Hurdiye zur angeblichen Landverbindung.
(ANMERKUNG VON 2013: Mit neuen technischen Hilfsmitteln, wie Google Earth, schaut es allerdings ganz anders aus. Dort sieht man, dass es sehr wohl eine Landverbindung zwischen dem Festland und dem Kap Hafun gibt. An der engsten Stelle scheint sie immer noch fast einen Kilometer breit. Darauf scheint es auch eine Piste zu geben.
Um auf dem Landweg zur Ortschaft Hafun, im Westen der Landzunge zu kommen, wäre aus Hurdiye allerdings ein Umweg von rund sechzig
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