Afrika Quer (German Edition)
bestimmt jemand kommen, um sie zu holen, dachte ich. Und wenn nicht, dann konnten wir wenigstens mit dem Wasser noch eine Weile überleben.
Wir legten uns unmittelbar neben die Piste in den Sand. Nuredin und ich mit einem dünnen Laken bedeckt, das er aus seiner Plastiktüte holte. Abdullahi zehn Meter weiter nur in seine Jacke gehüllt.
Nuredin hatte schon vor Gergore scheinbar aus heiterem Himmel von den „Somali Movies“, dem Somalischen Film, erzählt. Von den jungen Männern, die zwei ihrer Freunde sich unterhalten sahen, und sicher waren, die beiden planten, sie umzubringen.
Nuredin sah jetzt diesen Film. Unter dem Laken gestand er mir im Flüsterton, er habe Angst vor Abdullahi. Wir müssten unheimlich aufpassen. Er plane bestimmt, uns umzubringen. Warum hatte er ständig versucht, uns in die Wüste zu locken? Dafür konnte es nur diesen einen Grund geben.
Ich hatte natürlich auch schon darüber nachgedacht, ob wir Abdullahi trauen konnten. Hatte er uns nicht alleine zurücklassen wollen? Aber ich hielt es für höchst unwahrscheinlich, dass er uns umbringen wollte. Und das sagte ich Nuredin.
Ich hatte Abdullahi auf der Polizeistation in Bosasso gesehen. Als ihn die Polizisten hereinriefen, schrumpfte er sichtlich zusammen. Außerdem notierten die Polizisten seinen Namen, und er musste sich ausdrücklich für unsere Sicherheit verbürgen.
Nach unserer Rückkehr haben Nuredin und ich dann allerdings den Polizeichef von Bosasso auf der Straße getroffen. Ich erzählte ihm, Mohamoud Askar hat uns mit einem Auto in die Wüste geschickt, dessen Allradantrieb nicht funktionierte. Er lachte nur und sagte: „Ja, es ist ganz schön gefährlich, in die Wüste zu fahren.“
Außerdem wusste Abdullahi, dass ich Journalist bin. Sollte mir etwas zustoßen, musste ihm klar sein, dass die puntländische Regierung Ärger macht. Meldungen über einen verschollenen Journalisten passten nicht ins Bild der autonomen Region in Somalia, die nun wieder sicherer geworden ist.
Abdullahi jetzt die Kalaschnikow abzunehmen, hielt ich für keine gute Idee. Wenn es uns überhaupt gelungen wäre, hätten wir damit Wache halten, hätte ich damit Wache halten müssen. Denn konnte ich Nuredin völlig trauen?
Überhaupt war ich schrecklich müde und wollte schlafen. Außerdem: Hätte ich die nächsten Tage ständig mit dem Gewehr im Anschlag hinter Abdullahi herlaufen sollen?
Nuredin war dadurch nicht beruhigt. Seine Träume ließen ihn nicht gut schlafen. Ein paar Mal zuckte er im Schlaf zusammen, zeterte, diskutierte mit jemandem und ruderte zur Abwehr mit den Armen.
Allerdings schlief er nicht besonders lang, denn wegen des eiskalten Windes, der über die Wüste fegte, waren wir alle drei schon zum Sonnenaufgang wach. Abdullahi verschwand gleich und sagte, er wolle die Leute suchen, denen die Kanister gehörten.
Ein paar Minuten später kam er mit einem Mann mit grauen Haaren zurück. Er war schon auf dem Weg zu seinem Wasser. Die Kanister waren für seine Familie und für seine Ziegen und Schafe, erzählte er. Wie gewöhnlich hatte sie gestern ein Lkw für ihn an der Piste abgestellt. Er versprach, uns nach Hurdiye zu führen, denn er wollte ohnehin dorthin. Es sei nicht weit. Zwei Stunden vielleicht.
Seine zwei Nomadenzelte waren nur gute zehn Minuten hinter einer Düne versteckt. Hier war es sofort viel wärmer, denn in dem Kessel ging der Wind über.
Die Familie des Mannes saß gerade beim Frühstück auf einer Ziegenhaut. Ich staunte, mit wie wenig sie in dieser menschenfeindlichen Umgebung auskam.
Sie hatte zwei kleine Zelte aus Decken, die über Stöcke gespannt waren, einen Kessel für den Tee und ein paar Holzflaschen für die Milch.
Trotzdem trug die ältere der zwei Töchter schon den Hijab. Sie war vielleicht sieben. Für wen? Wer sollte sie in dieser Wildnis sehen? Außer ein paar Fremden wie wir, die vielleicht alle paar Jahrzehnte vorbeikamen, war doch niemand weit und breit.
Außerdem hatte die Familie eine kleine Herde Schafe und eine zweite mit Ziegen. Sie standen in einem Ring aus Dornensträuchern. Offenbar konnten die Tiere von den spärlichen Gräsern leben, die wir auf den Dünen sahen. Seine Kamele hatte der Mann in die Obhut eines Bruders gegeben.
Aber so autark, wie ich erst gedacht hatte, war die Familie doch nicht. Der Mann hatte noch eine andere Frau in Hurdiye. Dort war er die meiste Zeit. Er kam nur alle paar Tage hier heraus, um Wasser zu bringen und nach dem Rechten zu sehen. Nur die
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