Afrika Quer (German Edition)
Ohrlöcher waren schon ausgerissen. Um den Hals hattest du eine Kette aus bunten Keramikstückchen. Alles Talmi nur. Du hast keine Zeit und kein Geld, um dich schön zu machen.
Denn in deinem gesamten Leben hast du nur eines gekannt: Arbeit. Alle haben sich auf dich verlassen. Dein Dorf für die Repräsentation, aber auch für die Trauer. Deine Kinder für ihr Leben. Und dein Mann für seine Felder, seinen Hof und seinen Besitz. Aber als du alt wurdest, hat er sich eine jüngere Frau ins Haus geholt und dir gedroht, wenn es dir nicht passt, dann könntest du ja deine Sachen packen. So ist das Leben.
Du heißt Fanta Samaké. Ich habe dich getroffen in einem Dorf im Süden Malis. Es heißt Beneko und liegt zwanzig km südöstlich von Oueléssébougou. Ich wollte eine ganz normale Bäuerin porträtieren. So wie man sie überall sieht in Afrika, in den Straßen, den Märkten, den Feldern. Eine deutsche Hilfsorganisation hatte eine Studie in deinem Dorf gemacht. Sie wollte wissen, wie bei euch die Arbeitsteilung ist zwischen Männern und Frauen. Aber was konnte dabei schon herauskommen? Das weiß doch jeder, dass in Afrika der Großteil der Arbeit auf den Schultern der Frauen ruht.
Du bist die Vertreterin der Frauen in deinem Dorf. Zu dir haben sie Vertrauen. Du kannst gut reden. Du bist freundlich zu jedem. Deshalb haben sie dich gewählt, sagten sie.
Und ohne langes Vorgespräch habe ich gedacht, ich will mehr wissen von dir. Spiegelt sich nicht das große Ganze im Leben jedes Einzelnen wie der klare Morgenhimmel in einem spiegelglatten Teich? Man muss nur genau genug hinschauen, dann kann man ihn sehen.
Du warst gerade von der Arbeit auf dem Feld zurückgekommen. Es hat geregnet in Strömen. Der erste Regen. Jetzt begann die Aussaat. Die wichtigste Zeit im Jahr für die Bauern. Aber auch die mit der meisten Arbeit. Manchmal kommst du in dieser Jahreszeit nicht dazu, deine Kleider zu waschen, soviel Arbeit hast du, sagtest du.
Wir saßen in einem schlanken Haus aus Hohlsteinen mit einem Dach aus Wellblech. Der rechte Eingang und das rechte Zimmer ist für dich und deine zwei kleinen Kinder. Der linke Teil für die zweite, jüngere Ehefrau deines Mannes und die ihren.
Vor dem Haus war ein Dach aus Ästen und Strohmatten, das am Tag ein bisschen Schatten spendet. Und der Hof, in dem sich nachts eine Handvoll Kühe drängte, hatte eine rissige Mauer aus getrocknetem Ton.
Auf der linken Seite des Grundstücks stand die Küche der zweiten Ehefrau. Wie deine auch war sie rund, aus Ziegeln gebaut, mit Lehm verputzt und einem Dach aus Stroh bedeckt.
Dann weiter im Uhrzeigersinn standen an die Mauer gelehnt zwei Getreidespeicher aus Schilf und wie die Küchen mit einer spitzen Mütze aus Stroh auf dem Kopf. Dann deine Küche und im Kreis weiter noch drei Hütten. Eine für Besucher, die zweite noch eine Vorratskammer und die dritte für den Mann und die älteren Jungen.
Vor dem Hoftor lagen große Holzmörser auf dem Boden verteilt wie nach einer Schlacht. Aber ihr Frauen werft sie nur um, damit es nicht hineinregnet.
Oft sieht man euch dort das Getreide stampfen. Eine von euch hat dort fast immer etwas zu tun. Mit eurem dumpfen Tock-Tock-Tock gebt ihr dem Dorf seinen Rhythmus vor.
Du sagtest, die Frauen hätten viel mehr Arbeit im Dorf als die Männer, „zehn mal mehr“. Traditionell muss der Mann in eurer Region für den Anbau des Getreides sorgen, also für die Beilage, und die Frau für die Soße.
In den Familien gibt es Felder für die Männer, Felder für die Frauen und Felder, die gemeinsam bestellt werden. Ihr Frauen habt die Doppelbelastung von Haushalts- und Feldarbeit. Und viele Familien haben keine Ochsenwagen. Deshalb müsst ihr den Mist zur Düngung auf dem Kopf auf die Felder tragen.
Wenn ihr euch etwas dazu verdienen wollt für die Kleider eurer Kinder oder deren Schulgebühren, dann sammelt ihr Karité-Nüsse und verkauft ihre Butter am Markt von Ouelléssébougou.
Ihr habt keine Mühlen. Die Karité-Butter macht ihr mit der Hand. Als dein Mann hörte, du bezahltest die Kleider deiner Kinder, Mama Afrika, wurde er ärgerlich. Deshalb sagtest du, nur ganz wenige Männer teilten sich die Kosten dafür mit den Frauen. Aber als er weg war, sagtest du dann, es sei schon so, du bezahltest die Kleider, die Schulgebühren und die Medikamente für deine Kinder alleine.
Am nächsten Morgen kamen wir schon um sechs Uhr wieder. Du warst schon auf, hast die Kühe aus dem Hof gejagt, ihre Fladen mit einer
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