Afrika Quer (German Edition)
Tradition. Ich habe mich sehr schnell entwickelt“, erzähltest du. Obwohl sich die Mädchen in Afrika nicht schneller entwickeln als anderswo. Wie sollten sie auch? Werden sie besser ernährt?
Und du kanntest deinen Mann nicht vor der Hochzeit. Du wusstest am Anfang nicht einmal, dass du verheiratet werden sollst. Die Familie deines zukünftigen Mannes hatte einen Griot, einen traditionellen Sänger, engagiert. Und der hat mit deinem Vater über den Brautpreis verhandelt. Erst nachdem sie einig waren, wurdest du nach Beneko, in das Dorf deines Mannes, gebracht.
Du jedoch warst froh, verheiratet zu werden. „Alle Mädchen in meinem Alter waren das“, sagtest du. Und du führst heute eine gute Ehe, sagtest du. Du hättest kein Problem mit deinem Ehemann. „Er hat Respekt für mich.“
In dem Interview, das wir in Ruhe am Abend führten, hast du dann jedoch auf einmal etwas ganz anderes erzählt. Die Übersetzerin wusste wieso: „Na, das ist doch klar. Vor ihrer 12-jährigen Tochter konnte sie über so etwas nicht sprechen.“
Aber vielleicht ist das ja ein Fehler, Mama Afrika. Am nächsten Morgen sah ich deine Tochter am Brunnen Kleider waschen. Sie ist stämmig und hat schon kräftige Beine. Sorglos hatte sie ihre Bluse zur Seite gelegt, so dass man ihre spitzen, kindlichen Brüste sah. Am Nachmittag flirtete sie mit Moussa, dem Kontaktmann der Hilfsorganisation in eurem Dorf. Aus solchen Neckereien kann schnell Ernst werden. Manchmal reservieren sich ältere Männer Mädchen schon im Kindesalter und versprechen ihnen die Ehe, sobald sie alt genug sind. Wäre es nicht besser, wenn die 12-jährige wüsste, was sie erwartet?
So wie dir wird ihr bald die Klitoris entfernt werden. „Es gibt kein Mädchen im Dorf, das nicht beschnitten wird“, sagtest du. „So ist unsere Tradition. Deshalb muss es bei den Mädchen gemacht werden wie bei ihren Müttern.“
Die Übersetzerin musste sich erst entschuldigen, bevor sie dich, die ältere Frau, nach einem so intimen Sachverhalt fragte. Dir war das Thema peinlich. Aber damit kein Zweifel aufkam, sagtest du über deine Beschneidung als junges Mädchen: „Ich habe keinen Schmerz empfunden. Nach der Operation bin ich sofort aufgestanden und habe nichts gespürt.“ Und zupftest nervös an deinem Rock herum. Du warst es nicht gewöhnt, über solche Themen zu sprechen.
Am frühen Nachmittag, als ihr das Feld gejätet hattet, seid ihr zurück zu eurem Hof gegangen, um Karité-Butter zu machen. Vom Trocknen in einem Erdofen waren die Nüsse ganz schwarz. Deine Tochter und du stampften sie gemeinsam in einem Mörser.
Das ist schwere Arbeit. Die zweite Ehefrau deines Mannes und deine Schwiegertochter halfen euch dabei. Sie lösten euch am Mörser ab. Beim Stampfen sangst du Spottlieder auf die zweite Ehefrau. Sie sei im ganzen Dorf als faul bekannt, das wisse doch jeder, improvisiertest du im Duett mit deiner Tochter. Die zweite Ehefrau ließ sich nichts anmerken. So ganz ist dein Groll gegen sie doch noch nicht verflogen.
Erst beim Interview am Abend erzähltest du die ganze Geschichte über die zweite Heirat deines Mannes. Das ist jetzt schon fast fünfzehn Jahre her. Jetzt versteht ihr euch besser, du und die Frau, sagtest du, aber mit deinem Mann ist es nie mehr so geworden wie zuvor. Eine Weile lang schlief er nicht bei dir, und du fühltest dich fremd in deinem eigenen Haus.
Bevor dein Mann seine zweite Hochzeit öffentlich machte, hat er dich gefragt, ob du damit einverstanden bist. Was solltest du darauf erwidern? „Kein Problem. Dann mach es doch!“, hast du gesagt, um deinen Frieden zu haben.
Aber die zweite Frau, war eine, mit der man nur sehr schwer auskommen kann. Zuvor war sie schon einmal verheiratet und hatte sich von ihrem Mann getrennt. Sie schwärzte dich an bei deinem Mann. Wenn irgendwas passiert war, warst du immer Schuld.
Dein Mann glaubte ihr. Und wenn du dich beschwert hast, hat er dich geschlagen und gesagt: „Wenn es dir nicht passt, dann kannst du deine Sachen zusammenpacken und gehen.“ Und du hast gesagt: „Ich werde nirgends hingehen.“
Das war nicht einfach mit den Kindern. Du konntest ja nicht einfach weggehen. „Die ganze Heirat war nur zu seinem Spaß“, sagtest du resigniert, „weil er eine jüngere Frau haben wollte.“
Und die Übersetzerin war aufgebracht und sah sich in ihrem Bild der Männer bestätigt: „Oh ja, das kenne ich. So sind sie, die afrikanischen Männer.“ Sie war Anfang dreißig, in der Hauptstadt
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