Afrika Quer (German Edition)
erzählt hatte, schüttelte ungläubig den Kopf. Es ging um das alte Thema. Aguissa beharrte darauf, in Abdullatifs Familie war alles nicht so wie bei den anderen Familien.
Aber die Frauen in deiner Familie arbeiteten, hielt ich ihm vor, die von Abdullatif nicht. Du gingst auf die Weide, sie nicht. Du warst schwarz, sie nicht. Hast du damals nicht so gedacht?
Der Übersetzer nickte zustimmend. Aguissa war eingekreist. Er stammelte kleinlaut wie ein Kind: „Nein, so habe ich damals nicht gedacht.“
In diesem Moment kam mir Aguissas Eingeständnis vor wie ein kleiner Triumph. Wir hatten ein paar Minuten lang erhitzt diskutiert, und Aguissa war diese Antwort schwer gefallen. Letztendlich aber hatte er sie geben müssen. Diesmal war ich hart geblieben, und ich hatte etwas erfahren, dachte ich. Aber was bewies Aguissas Antwort schon? Selbst heute dachte er ja noch so.
Nachdem wir nun Tillamedess verlassen hatten, sagte ich deshalb zu ihm: Hast du jetzt gehört, wie sie über euch reden. Und das stört dich nicht?
„Nein, das stört mich nicht“, sagte er belegt. Und der Übersetzer, der aus einer Region nordöstlich von Timbuktu kam, nahm mich zur Seite und sagte: „Also jemanden Iklan zu nennen, ist ungefähr so, wie jemanden mit Kot zu vergleichen.“
Aber Aguissa hatte natürlich auch Recht. Im rechtlichen Sinn waren Tilhouad und die Iklan von Tillamedess ganz sicher keine Sklaven. Sie waren nicht Eigentum der Tuareg. Sie waren ihre Angestellten, ihre Diener. Nur dass durch die Erinnerung an ihre frühere Lage, durch den rassischen Dünkel der Tuareg, dadurch dass hellhäutige Menschen dunkelhäutige herumkommandierten, dem Verhältnis etwas Frivoles anhaftete.
Ohne das wäre es ein typisches Arbeitsverhältnis gewesen, wie es zehntausende in Afrika gibt. Solch stimmlosen, rechtlosen Handlanger, die für ein bisschen Essen arbeiten, sah man dort überall.
Aber da war etwas anderes, wie ich fand, sehr wichtiges, das mir nach diesen Tagen mit Aguissa nicht aus dem Kopf ging. Ohne Zweifel hat sich Aguissa nie von seinen früheren Herren, den Tuareg, emanzipiert.
Aber gleichzeitig war er im afrikanischen Vergleich sehr erfolgreich. Alle seine Kinder gingen zur Schule. Er konnte sich auf gut bezahlte Jobs beschränken. Er war sogar Präsident der Vereinigung der Arbeiter von Timbuktu.
Die Fahrer, mit denen wir nach Toya fuhren, kannten ihn gut. Er war sehr beliebt, wenn nicht sogar ein angesehener Bürger von Timbuktu. Wenn wir in der Stadt herumliefen, vergingen keine fünf Minuten, ohne dass er jemanden begrüßte oder von jemandem begrüßt wurde. Offensichtlich fand er sich exzellent in seinem Leben zurecht.
Hätte ich nichts über sein früheres Leben in Tillamedess gewusst, wäre er mir als ein ganz normaler Afrikaner erschienen. Leute, die mich hartnäckig „Patron“ oder „Sir“ nannten, gab es dort genug. Musste die Folge davon nicht sein, dass der Charakter vieler Afrikaner ähnlich aufgebaut war wie der von Aguissa?
Für mich war klar, Aguissa wurde in seiner Kindheit so geformt, dass er als Erwachsener nicht über die Voraussetzungen verfügte, gegen seine früheren Herren oder irgendjemanden sonst zu rebellieren. Das konnte er nicht. Das hätte viel zu viel Angst bei ihm ausgelöst. Auf seinen Beruf, seine Familie, sein Leben schien das keinen Einfluss zu haben. Aber in seinem Bewusstsein blieb er sein Leben lang ein Sklave.
Mama Afrika (Oueléssébougou)
Mama Afrika, deine Hände sind rau wie Sandpapier und so knochig wie ein Knotenstock. Deine Füße sind vom barfuß laufen so platt wie ein Brett und vorne so aufgefächert wie die einer Ente. Deine Haare sind sorglos geflochten, und du versteckst sie unter einem rosafarbenen Kopftuch, damit man nicht sieht, dass sie schon ein bisschen grau sind.
Du weißt nicht, wie alt du bist. Wahrscheinlich Ende vierzig. Von den schweren Lasten, die du geschleppt hast, sind deine Beine krumm wie Säbel, und dein Busen ist runzlig und schlaff. Er zeigt nach Süden, als wäre das die einzige Richtung, die es gibt in deiner Welt. An deinen Brüsten waren sechzehn Kinder gelegen. Fünf sind gleich nach der Geburt gestorben. So ist das Leben. Aber dein Rücken ist immer noch gerade, ungebeugt und stark.
Du trugst einen schmutzigen türkisfarbenen Pollunder, als wir uns trafen, und eines dieser bunten Tücher, die sich die Frauen in Afrika um die Hüften schlingen. Du warst barfuß. In den Ohren hattest du goldfarbene Ohrringe, und einige deiner
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