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Afrika Quer (German Edition)

Afrika Quer (German Edition)

Titel: Afrika Quer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
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entschieden. Er hatte keine Schulden bei Abdullatif. Auch er lag immer, wenn wir kamen, in seinem Zelt herum. Er trug die Verantwortung, sagte er, dass seine Familie ihre Arbeiten richtig erledigt. Und er sagte, er könnte nicht in Timbuktu leben. „Ich bin Nomade. Hier arbeite ich für mich selbst, und ich bekomme etwas dafür. Schau doch, wenn du mich fragen würdest, würde ich auch deine Arbeiten erledigen.“
    Natürlich gehörte Tilhouad nicht zu den Iklan. Seine Mutter war Fulbe. Und als er das Wort Iklan aussprechen musste, verzog er sein Gesicht, als ob er gerade eine fürchterlich bittere Medizin geschluckt hat.
    Gab es überhaupt Iklan in Tillamedess? „Ja, das schon“, sagte er.
    Wo?
    „ Das weiß ich nicht. Sie sind Nomaden. Sie sind jeden Tag woanders.“
    Ich bat Aguissa deshalb, mir doch einmal welche zu zeigen. Später am Nachmittag gingen wir zu einem Zelt am Rande des Lagers. Wir sprachen mit einem alten dunkelhäutigen Mann.
    Ich sah einen irdenen Krug mit Wasser in seinem Zelt und fragte danach. Der Mann sagte: „Ja, unser Trinkwasser holen wir aus dem Niger.“
    Was tat er sonst so? Er bewache die Reisefelder von Tillamedess, sagte er. Er arbeitete also für die Tuareg? Nein, das tue er nicht, sagte er entschieden.
    Ich verstand nicht genau, warum wir überhaupt mit dem Mann redeten. „Der gehört zu den Iklan“, sagte Aguissa mit verschwörerischer Miene, nachdem wir wieder weggegangen waren.
    Und Aguissas Bruder Tilhouad hatte wirklich seinen Stolz. Als er mir erzählte, er sei nach der letzten Regenzeit nicht mit den Tieren nach Norden gezogen, war ich diese Antwort inzwischen schon ein bisschen leid. Ich hatte sie schon zu oft gehört. Ich sagte: Na gut, wenn das so ist, dann werden wir einmal deine Frau fragen, wer mitgegangen ist.
    Sie saß neben uns im Zelt und flocht Topfdeckel aus Gras, die sie für ein bisschen Geld in Toya verkaufte. Da wurde Tilhouad jedoch zornig. Hätte er einen Tisch gehabt, hätte er draufgehaut. „Nein!“, sagte er wütend, „Journalismus, das ist nichts für Frauen!“ Seine Frau fuhr unbewegt mit ihrer Arbeit fort.
    Und ich hatte geglaubt, dieser Mann stehe auf der untersten Stufe der Rangordnung in Tillamedess! Ich habe mich getäuscht. Er hatte noch Sklaven unter sich: seine Frauen und seine Kinder.
    Als wir nach dem Interview zu Abdullatif gingen, entschuldigte ich mich, dass wir zuerst mit Tilhouad gesprochen hatten. Er saß allein im Schneidersitz in seinem Zelt.
    Abdullatif nötigte sich ein „Das macht doch nichts“ heraus. Aber es machte etwas. Wir hatten einen Fauxpas begangen. Auf seinem Gesicht stand deutlich die schwerwiegende Beleidigung geschrieben, die wir uns erlaubt hatten.
    Auch im Interview nahm Abdullatif kein Blatt vor den Mund. Er finde es nicht unzeitgemäß, sagte er, heutzutage noch von Sklaven zu reden. Er sprach französisch und benutzte das französische Wort. „Was soll ich denn sonst sagen?“, fragte er sich ernsthaft. „So haben wir sie immer genannt. So ist ihr Name.“
    Er bedauerte, dass ihm nur noch Tilhoaud geblieben ist. „Ich habe nicht mehr genügend Tiere, um mehr von ihnen zu ernähren. Nach der Dürre von 1972 sind sie alle weggelaufen. Sogar Tilhouad war eine Weile nicht mehr bei mir.“
    Überhaupt waren meine Bedenken völlig unbegründet, die Tuareg von Tillamedess nach den Iklan zu fragen. Denn wieder zurück bei Ahmed, dem Gemeinderat, sprach auch er völlig unbekümmert über „Sklaven“. „Warum sollte ich das nicht tun?“, fragte er. „Das ist ihr Name. Das ist ihre Herkunft. Wenn du die Arbeit von Sklaven erledigst, bist du selbst ein Sklave. Dann hast du keine Würde.“
    Die Dichotomie von Noblen und Sklaven war zentral für sein Denken. Sie galt auch im größeren Rahmen. Schon am Vormittag hatte er im scherzhaften Ton, aber meine Zustimmung erheischend, gesagt, Frankreich und Deutschland seien noble Länder. „Aber die USA sind eine Nation von Sklaven.“ Ich schätze, dass das irgendwie mit der Haltung dieser Länder im Konflikt im Nahen Osten zu tun hatte. Ich habe nicht nachgefragt.
    Aguissa saß während der Interviews mit Abdullatif und Ahmed ruhig daneben und ließ sich keine Gefühlsregung anmerken. Schon am Morgen auf unserem Weg am Niger entlang hatte ich eine Diskussion mit ihm über Noble und Sklaven. Er versuchte, wieder einmal seine Jugend in Tillamedes rosa anzustreichen.
    Soviel Verdrängung fand ich phänomenal. Selbst der Übersetzer, dem ich nichts über Aguissa

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