Afrika Quer (German Edition)
Bamako geboren, in Ouéléssébougou verheiratet und hatte dort einen kleinen Friseurladen.
Mama Afrika, du hast dir mehr Arbeit gemacht, als du eigentlich musstest. Ein bisschen wolltest du natürlich auch dem weißen Journalisten zeigen, wie viel du arbeitest. Und natürlich willst du noch nicht zum alten Eisen gehören. Aber der Älteste in deiner Sippe hat vor ein paar Monaten bestimmt, dass du nicht mehr kochen musst. Das werden in Zukunft deine Schwiegertöchter und die jüngeren Frauen in deiner Sippe für dich erledigen. Das sei eine große Ehre für dich, sagtest du, ein Zeichen des Respekts. So gebührt es den Alten.
Aber die Karité-Butter musstest du nach wie vor selbst zubereiten, wenn du ein bisschen Geld auf dem Markt in Oueléssébougou verdienen wolltest. Dein Mann war inzwischen vom Feld nach Hause gekommen. Er schälte Erdnüsse, um sie am nächsten Morgen zu säen. Und du stampftest die Karité-Nüsse, kochtest die zerkleinerte Masse über dem Feuer und mischtest und schlugst alles mit deinen Händen, bis dir die Schweißtropfen in die Schüssel tropften und sich die flüssige Butter an der Oberfläche absetzte.
In dem Interview erzähltest du auch, dass du schon für den malischen Präsidenten getanzt hast. Wenn ein afrikanischer Würdenträger ein Dorf besucht oder auf irgendeiner Veranstaltung spricht, ist es selten, dass keine Frauengruppe in traditionellen Kostümen zu seiner Ehre tanzt und singt.
In Kenia habe ich einmal eine Tänzerin gefragt, warum das so ist, und sie sagte irritiert: „Wir Frauen tanzen und singen eben gerne. Das ist bei den europäischen Frauen doch sicher genauso.“
Bei dem Interview muss ich nicht richtig zugehört haben. Denn nach dem Tanzen habe ich dich nicht näher gefragt. Erst als ich wieder in Deutschland war, fiel mir auf, dass ich dazu mehr hätte wissen wollen. Deshalb habe ich einen Brief an dich geschrieben und gefragt, wann und unter welchen Umständen du getanzt hast? Du schriebst zurück, dass du seit dreißig Jahren bei der Frauengruppe in deinem Dorf aktiv bist. Ihr tanzt und singt vor allem bei Taufen, Hochzeiten, Beerdigungen oder kulturellen Treffen zwischen den Dörfern. 1982 habt ihr für den ehemaligen malischen Präsidenten Moussa Traoré in der Provinzhauptstadt Kati gesungen.
Du schreibst, die Lieder hatten zum Thema: „Man kann die Macht nicht ohne die dazugehörige Sorge ausüben.“ Und: „Wenn man Politiker wird, muss man tolerant und ehrlich bleiben.“
Zwei Jahre später hat euere Gruppe für seine Gattin Mariam Traoré in Oueléssébougou gesungen. Im demokratischen Mali wurde Traoré und seiner Frau wegen Korruption der Prozess gemacht.
Außerdem lese ich in deinem Brief, dass du „finanzielle Probleme“ hast. Du hast den Brief nicht selbst geschrieben. Du warst nie in der Schule und kannst nicht lesen und schreiben. Er ist mit gerader Schrift, mit ruhiger Hand und ohne Ausbesserungen geschrieben. Ich hoffe, du hast nicht zu viel dafür investieren müssen.
Du lässt schreiben, am wichtigsten sei, dass du gerne ein Radio, einen kleinen Fernseher und einen Stromgenerator – es gibt in Beneko keinen Strom – hättest, um dich über das Weltgeschehen auf dem laufenden zu halten. Außerdem könntest du ein Mikrofon und einen Lautsprecher gebrauchen. Um zu singen, nehme ich an. Wenn auch nicht für einen Präsidenten, hoffe ich. Wobei dann jedoch auch der Generator wieder von Nutzen sein könnte.
Dann entnehme ich deinem Brief, dass bei dir eine gewisse Knappheit an schönen Kleidern, „mit denen man ausgehen kann“, sowie solchen, „mit denen man distinguierte Besucher empfangen kann“, zu herrschen scheint. Und du bedauerst deinen Mangel an Bildung. Denn ansonsten wärst du bereit, schreibst du, viele Hilfsprojekte mit mir zu verwirklichen oder mich zuhause bei mir in Deutschland zu besuchen.
„ Eine andere deiner großen Sorgen“, fährst du fort, ist deine Tochter. Sie geht in der Hauptstadt Bamako aufs Gymnasium. „Sie ist die größte Hoffnung in meinem Leben.“ Allein „sie sieht sich mit erhöhten Transportkosten von zuhause zur Schule konfrontiert“. Mit einem Wort: Sie wünscht sich ein Moped. Ihre Postadresse liegt bei. Schließlich dürfe man aber auch nicht vergessen, dass dein vierjähriger Sohn auch zur Schule gehen soll. „Aber mir fehlt das Geld, ihn anzumelden.“
Wie groß doch in Afrika die Kluft ist zwischen den Träumen und ihrer Realisierbarkeit! Ich wette, die lange Liste, was dir alles
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