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Afrika Quer (German Edition)

Afrika Quer (German Edition)

Titel: Afrika Quer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
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nicht. Erst kam eine hohe Sandverwehung, die uns abbremste, und dann unmittelbar danach eine zweite. Abdullahi wandte sich flehend zu mir – „Wo ist denn die Straße?!?“ – und schon steckten wir wieder fest.
    Ich konnte nicht zu ihm hinübersehen, so hasste ich ihn in diesem Moment. Dass Nuredin und ich ihm egal waren, konnte ich verstehen. Den Drang jedoch, mit dem er sich immer wieder selbst in Gefahr brachte, überstieg einfach mein Fassungsvermögen.
    Diesmal konnten wir uns jedoch nach ein paar Versuchen selbst befreien. Abdullahi wollte weiterfahren.
    Deshalb musste ich wieder schreien. Ich tat das nicht aus Kalkül, damit Abdullahi wieder zurückzuckte, sondern weil er mir Angst machte.
    Garibaldi, dem ich später von Abdullahi erzählte, sagte mir, ich sollte mir keine Gedanken machen. Die jungen Leute, die im Bürgerkrieg aufgewachsen sind, müsse man stets anschreien. Auf einen anderen Tonfall reagierten sie sowieso nicht.
    In dem selben halsbrecherischen Tempo, in dem wir gekommen waren, fuhren wir wieder nach Hurdiye zurück. Die Dörfler lachten natürlich, als sie uns sahen.
    Nuredin und ich stiegen aus. Und Abdullahi schoss zusammen mit seinem Cousin mit 90 ein paar Mal die Hauptstraße hoch und runter. Diese Demonstration seiner Fahrkünste brauchte wohl sein Ego.
    Aber in zwei Stunden würde es dunkel werden, und ich wollte nicht in Hurdiye übernachten. Ich wollte überhaupt nicht mehr in Hurdiye sein.
    Deshalb verhandelten Nuredin und ich mit den zwei Lkw-Fahrern des Ortes darüber, uns ein Stück zu begleiten. Sie bestanden beide auf einer Summe, mit der man am Markt von Hurdiye 800 Mal Spaghetti essen konnte. Sie wussten, wir waren in einer Notlage. Sie hatten Geduld. Wir nicht.
    Ich musste daran denken, was ich vor ein paar Wochen in Sir Richard Burtons Reisebericht gelesen hatte. Im 19. Jahrhundert war Somalia bei den Arabern als das „Land-des-Gib-mir-etwas“ bekannt. Nuredin sagte: „Welch eine Schande! Wie gierig die Leute in Hurdiye sind, werde ich in Bosasso herumerzählen.“ Und ich griff noch einmal tief in die große Mülltüte und verhalf einem der Fahrer zu 300 Mal Spaghetti, damit wir aus Hurdiye herauskamen.
    Trotz der einbrechenden Dunkelheit fand der Lkw-Fahrer eine Piste, auf der es keine Sandverwehungen gab. Er fuhr hier fast jeden Tag und wusste, wo man fahren konnte und wo nicht. Mit seiner Hilfe waren wir bald wieder auf der festen Piste.
    Um zehn Uhr abends kamen wir in Gergore an. Die aus Brettern, Lumpen, Plastikplanen und gestampftem Lehm zusammengeschusterten Hütten wirkten in der Dunkelheit noch ärmlicher. Aber wie schon bei der Hinfahrt war ich so froh, als wir ankamen, als hätten wir endlich Xanadu erreicht.
    Wir fuhren bis zu einem Dach aus krummen Baumstämmen, von wo noch Licht zu dringen schien. Als ob sie zum leblosen Inventar gehörte, kauerte darunter eine alte Frau mit windschiefem Rücken bewegungslos im Schein einer Sturmlampe. Sie bot uns sofort Tee an. Und eine Übernachtungsmöglichkeit, sagte sie zu meiner Überraschung, gab es bei ihr auch.
    Nuredin und mich führte sie in den Hof ihrer Hütte nebenan. Abdullahi wollte beim Auto übernachten. Jeder bekam eine stachelige, aus Gras geflochtene Matte. Man legt sich auf das glatte Ende, erklärte mir Nuredin, und schlägt das, auf der das Gras stachelig heraussteht, über sich. Wir sahen aus wie lang behaarte Raupen.
    Trotz meines Leinenschlafsackes war die Nacht wieder bitterkalt. Eine halbe Stunde später kam sogar noch ein Lkw aus der Richtung von Bosasso. Fahrer und Beifahrer kehrten auch bei der alten Frau ein. Sie führte tatsächlich so eine Art Raststätte in Gergore.
    Am Morgen tranken wir wieder Tee - zu Essen konnte die Alte uns nichts anbieten - und zahlten. Drei Tee am Abend, drei am Morgen. Die Übernachtung war gratis. Alles zusammen kostete 10 Cent.
    Am östlichsten Punkt Afrikas war ich nicht. Aber zum Kap Casayr zu fahren, hielt ich für keine gute Idee. Hartnäckigkeit ist etwas Schönes. Aber unter entsprechenden Umständen kann sie auch Torheit sein. Meine Reise quer durch Afrika hatte auf jeden Fall schon einmal gut angefangen.

Ein Volk macht Staat (Bosasso)
    Die Polizisten in Bosasso werden die Abdullahis nicht stoppen. Ich habe sie ein paar Mal an der Hauptstraße beobachtet. Es war zum Schießen. Zuerst hielt ich sie für Witzfiguren, nicht für Polizisten, die ihren Dienst tun, dann für Polizisten, die ihren Dienst tun, aber doch recht witzig sind.
    Aber so ist das

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