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Afrika Quer (German Edition)

Afrika Quer (German Edition)

Titel: Afrika Quer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
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einiges erklärt. Vielleicht hatte Dr. Mohammed ja in der Abteilung gehört, dass ein Journalist gekommen ist, um mit dem Chefarzt zu sprechen, und hatte sich einfach für ihn ausgegeben. Möglich war das. Patienten in der Psychiatrie sind oft sehr intelligent. Vielleicht hatten die Ärzte aus den anderen Abteilungen die Komödie mitgespielt. Das hätte die Ausgelassenheit der Runde erklärt. Nach all dem, was ich in Somalia erlebt hatte, war ich einfach nicht sicher, ob die Krankenhausangestellten das nicht für einen ganz besonders gelungenen Scherz hielten.
    Oder waren sie vielleicht selbst Patienten, die bei dem Streich mitgespielt hatten? Und die Pfleger in der psychiatrischen Abteilung waren vielleicht gar keine Pfleger!
    In diesem Moment war ich völlig unsicher, was ich denken sollte, und ich beschloss, mit Dr. Mohammed auf jeden Fall auf der Hut zu sein, um mich nicht zum Gespött des gesamten Krankenhauses zu machen.
    Er führte mich wieder zielstrebig in die psychiatrische Abteilung und begrüßte die Pfleger. Gestern hatte einer der Patienten, als er uns sah, die Hacken zusammengehauen, und mehr gestammelt als geredet, er habe in Kuwait gedient. Dr. Mohammed forderte ihn mit einem Grinsen in meine Richtung auf: „Aber sagen Sie doch, unter wem?“
    „Unter General Colin Powell“, sagte der alte Mann schüchtern. Er nahm wieder Haltung an. Und dann zu mir gewendet: „Den kennen Sie doch, oder?“
    Noch ein weiterer Patient behauptete, er habe im Golfkrieg gekämpft. „Es gibt viele somalische Söldner“, sagte Dr. Mohammed, wohl weil er meine Zweifel bemerkte.
    Dann gingen wir hinaus, und ich fragte ihn, ob er die Zustände in seiner Abteilung nicht schlimm finde. Natürlich ist die Behandlung in vielen öffentlichen Krankenhäusern in Afrika nicht besonders gut. Das Geld ist überall knapp, und dass Patienten auf dem Boden liegen oder zwei in einem Bett, kommt schon einmal vor.
    Aber die neuen, glänzenden Ketten, mit denen die Patienten in seiner Abteilung gefesselt waren, hatten mich schockiert, und ich wollte ein Wort des Mitleids von ihm hören.
    Aber er sagte nur ohne erkennbare Gefühlsregung: „Es ist wie in jeder Abteilung des Krankenhauses. Wenn sie operiert werden wollen, müssen sie einen Angehörigen mitbringen, der ihnen Blut spendet.“
    Und als wir vor das Haupttor des Krankenhauses traten, stand da ein alter Mann mit verschlissenen Kleidern und struppigen grauen Haaren. Dr. Mohammed begrüßte ihn und sagte zu mir in Englisch, aber so, dass es der Mann hören musste: „Wir gingen früher zusammen in die Schule. Aber dann hatte er ein kleines psychisches Problem.“ Dann kriegte Dr. Mohammed sich wieder fast nicht ein, fügte aber schließlich versöhnlich hinzu: „Aber jetzt arbeitet er im Krankenhaus.“
    Also gut. Inzwischen war geklärt, dass Dr. Mohammed kein Patient sein konnte. Zwei Tage lang hätte er die Komödie nicht spielen können. Aber gestern wusste ich nicht, was er damit meinte: „Aber jetzt arbeitet er im Krankenhaus.“
    Stimmte das? Die Kleidung des alten Mannes sah nicht danach aus. Oder war er vielleicht einer von Dr. Mohammeds Patienten, und der hatte nur wieder einen seiner Witze gemacht?
    Wenn ja - das wusste ich jetzt zumindest - dann ging mir Dr. Mohammeds Humor etwas zu weit.

Der Somalische Film III (Hargeisa)
    Ärzte gehören zu einer Berufsgruppe, die für ihren Zynismus bekannt ist. Und bei Journalisten, gerade jenen, die in Krisengebieten arbeiten, ist es ebenso.
    Ich mag eine wohlbehütete Kindheit gehabt haben, aber in Afrika wurden mir Empfindlichkeiten schnell ausgetrieben. Lange Jahre habe ich gerätselt, ob an dem Hals meines toten Großvaters schon Verwesung zu sehen war oder nicht. Als Kleinkind hatte ich ihn ein paar Tage nach seinem Tod in einer Leichenhalle gesehen.
    Aber gegen das, was ich dann als Korrespondent erlebte, waren das Kinkerlitzchen. Ob ich wollte oder nicht, habe ich in Afrika Leichen unter allen möglichen Umständen und in allen Aggregatzuständen gesehen: Noch warm – nach einem Einsatz der berüchtigten Polizei-Elitetruppe „Operation Sweep“ im nigerianischen Lagos; eine Woche alt, aufgedunsen und so übel stinkend, dass es mir, wie allen anderen, die dabei waren, den Magen umgedrehte – an der äthiopisch-eritreischen Front; und ledern und von der Sonne vertrocknet wie ein Frosch, der von einem Auto überfahren wurde – im Süd-Sudan, auf einer Straße nahe der Stadt Yei, fast an der ugandischen Grenze. Glauben

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