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Afrika Quer (German Edition)

Afrika Quer (German Edition)

Titel: Afrika Quer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
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unter dem Namen „Bah“ bekannt.
    Bah?
    „ Bah, Bah, Bah!“, antwortete er in seiner ungeduldigen Art. „Das Wort für Plastiktüte. Wegen des raschelnden Geräuschs, das sie macht, und das man hinter sich zu hören glaubt.“ Und einer der Verwaltungsangestellten platzte zur großen Heiterkeit der Runde heraus: „Das hatte ich gestern erst, als ich abends nach Hause ging, dass ich glaubte, es verfolgt mich jemand, es ist jemand hinter mir her.“
    Zwar hatte ich in Nairobi, wo man die Zweige billig kaufen kann, schon einmal Khat gekaut. Nicht oft jedoch und auch nur wenig jeweils. Aber nun wollte ich darüber schreiben und hatte mir deshalb vorgenommen, die Droge noch einmal zusammen mit somalischen Vielkauern zu probieren. Ich hatte gehofft, dafür eine Runde mit Milizionären zu finden.
    Aber als ich nun in dem Büro saß, war mir klar, dass ich dafür keine besseren Leute finden konnte als diese Ärzte. Dr. Mohammed schien sich zu freuen. Er versprach, eine Runde zu organisieren. Dann lud er mich noch ein, die psychiatrische Abteilung anzuschauen.
    Wir gingen in die Männerabteilung. Sie war durch eine Mauer vom restlichen Krankenhaus getrennt. Ihre zwei Gebäude jedoch sahen ebenso flach und leicht gebaut aus wie die anderen des Hospitals auch. Im Hof war ein auf Metallsäulen errichtetes Dach, eine Art Pavillon. Auf seinem Betonboden lagen einige Patienten auf dünnen Bastmatten, zwei hatten Matratzen. Ihre Füße waren jeweils mit Ketten an den Säulen festgemacht. Ein Patient schlurfte in sich zusammengesunken über den Hof. Seine Kette und das dazugehörige Vorhängeschloss zog er am Fuß hinter sich her.
    Unter dem Vordach der zwei Gebäude waren mehr Patienten an Gitterfenstern angekettet. Auch in diesen Räumen sah man den nackten Estrich und ein paar Matratzen. Viele Patienten standen an den Fenstern, hielten sich mit ihren Händen an den Gittern fest und stierten mit leerem Blick in die Unendlichkeit. Ihre Ketten glänzten im morgendlichen Sonnenlicht. Sie sahen neu aus, so wie man sie in Deutschland in einem Eisenwarenladen kaufen würde, um seine Gartentür oder sein Fahrrad abzuschließen.
    Dr. Mohammed hat seine gute Laune nicht verloren. Er führte mich herum und stellte mich den Pflegern und Patienten vor. Inzwischen hatte er eine verwaschen blaue Baseballmütze mit der Aufschrift „Bulls“ - nicht „Chicago Bulls“ - aufgesetzt und eine dieser naturfarbenen Ledertaschen über die Schulter gehängt, wie man sie in Deutschland in den Siebzigern trug.
    Als ich nach den Ketten fragte, sagte er, für gewalttätige Patienten seien sie einfach notwendig. Oft würden die von der Polizei gebracht, manchmal aber auch von Angehörigen, die sich nicht mehr zu helfen wissen.
    Viel konnte Dr. Mohammed seinen Patienten nicht bieten. Vor kurzem hatte eine Hilfsorganisation ein bisschen Haldol gespendet, ein auch in Europa gängiges Medikament. Aber ansonsten müssen die Verwandten die Arznei selbst mitbringen.
    Im Moment habe er gut 100 Patienten in seiner Abteilung, sagte Dr. Mohammed. Dann legte er seinen Kopf in den Nacken und lachte, dass man seine großen Zähne sah. „Aber da draußen gibt es noch viele tausende mehr.“
    Am nächsten Morgen bin ich noch einmal ins Krankenhaus gegangen, um zu fragen, ob der Termin für die Khat-Runde schon feststeht. Aus Zufall traf ich Dr. Mohammed gleich draußen auf dem Gelände. Er trug wieder dieselben Sachen, Jeans, T-Shirt, seine „Bulls“-Mütze, die ins Orange spielende Ledertasche und die zerbrochene Brille auf der Nase. Er sprudelte wieder vor guter Laune und lachte wieder ein bisschen zu überdreht.
    Ich könnte kein Detail nennen, das mir besonders auffiel. Es muss der Gesamteindruck gewesen sein, das Bizarre, das von ihm ausging, das ausschlaggebend war. Denn plötzlich erinnerte er mich an eines dieser Originale, wie man sie manchmal durch deutsche Kleinstädte ziehen sieht, oder wie sie in Zeitungsredaktionen auftauchen, mit Ordnern, in denen sie einem detailgetreu die große CIA-Verschwörung nachweisen können. Am Anfang erscheint noch alles leicht und klar - bis einen das große Befremden beschleicht.
    Vieles irritierte mich an Dr. Mohammed, sein ausgeprägter Zynismus und dass er kein Mitleid für seine Patienten zu empfinden schien. In diesem Moment konnte ich den Gedanken nicht loswerden, dass er anstatt der Leiter der psychiatrischen Abteilung selbst einer ihrer Patienten war.
    Natürlich war die Vorstellung abgeschmackt. Aber sie hätte

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