Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Afrika Quer (German Edition)

Afrika Quer (German Edition)

Titel: Afrika Quer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
Vom Netzwerk:
Richtige Welt mit Wolkenkratzern, Teerstraßen, vielen neuen Autos und allem, was dazugehört, auf der anderen Seite Afrika mit seinem Hunger, seinen Kriegen und seinem Elend. Dort liegt die absolute militärische, wirtschaftliche und politische Macht. Hier die völlige Ohnmacht und die permanente Bitte um Hilfe aus der Richtigen Welt. Das suggeriert Afrika, dass es dieser anderen Welt in jeder Hinsicht unterlegen wäre – außer in der Leichtathletik und beim Fußball vielleicht -, und dass Afrika die Richtige Welt braucht, sie aber nicht Afrika. Das kann schon am Selbstbewusstsein nagen und oft genug auch zu einem handfesten Minderwertigkeitskomplex führen.
    Und wenn dann eben ein Besucher aus der Richtigen Welt nach Afrika kommt und den Afrikanern seine Aufmerksamkeit schenkt, dann adelt das jede Veranstaltung, dann fühlen sie sich geehrt. Für kurze Zeit wirkt für sie alles ein bisschen heller und ein bisschen bunter, so als hätte ihre Existenz mit einem Mal Bedeutung. Fast ist es so, als ob man für kurze Zeit einmal dazu gehörte, als sei die Richtige Welt zu Besuch.
    Aber natürlich war die Haltung der Ärzte mir gegenüber auch zwiespältig. Ausführlich und ohne erkennbaren Anlass erzählte mir der Chefarzt, dass es eine Hilfsorganisation in Hargeisa gibt, die die Frauen gegen die Männer aufwiegele. „Das wollen wir nicht.“ Er redete sich in Rage. Er sagte doch tatsächlich: „Sie müssen wissen, in unserer Gesellschaft bestimmen die Männer, was die Frauen zu tun haben.“
    Ich hatte am selben Abend ein Interview mit einer der Mitarbeiterinnen dieser Organisation. Sie vergab schlicht Kleinkredite an Frauen. Aber die Botschaft des Chefarztes war klar: Ihr Weißen wollt uns eure Gepflogenheiten aufdrängen.
    Daran sah man, wie wenig sich die somalische Gesellschaft doch geändert hat. Prinzip der britischen Kolonialpolitik in Somaliland war es stets, so wenig wie möglich in die Struktur der nomadischen Gesellschaft einzugreifen. Und Siad Barre war nicht nur mit seinem Versuch der Modernisierung der Gesellschaft gescheitert, ein solches Projekt hat er auch auf Jahre hinaus diskreditiert.
    Heute werden kenianische Somalis „Sijuis“ genannt, Auto fährt man in Somalia standesgemäß, wenn man fährt wie ein Henker, und Frauen zu fördern heißt, sie gegen Männer aufzuwiegeln.
    All das ist noch der alte Geist der traditionellen Lebensweise: Ein Nomade lebt in der Wüste. Sein Leben ist ein Kampf, er kommt mit sehr wenig aus. Aber er ist stark und immer bereit, sich zu verteidigen und lässt sich deshalb nie bei einer Schwäche ertappen.
    Ohne Bruch hat diese somalische Variante des süd-amerikanischen Machismo in der Gesellschaft des nachbürgerkriegerischen Vakuum weitergelebt. Und selbst wenn man mit der Wissenschaft in Kontakt gekommen, gelernt, studiert und sogar Chefarzt eines großen Krankenhauses geworden ist, dann änderte man sich nicht. Dann blieb man immer noch Somali. Das wusste ich jetzt.
    Wenn ich etwas also auf keinen Fall wollte, dann war es, vor dieser Runde eine Schwäche zu zeigen. Zwar war ich sicher, dass die Ärzte mit ihrem Hohn warten würden, bis ich weg war. Aber ich wusste genau, was sie dann sagen würden: „Haha, der Weiße verträgt doch nichts. Hast du den Wachlappen gesehen!“
    Es mag etwas komisch ausgesehen haben, aber bevor ich versuchte aufzustehen, habe ich erst einmal meine Beine auf ihre Standfestigkeit geprüft; erst eines nach vorne gestreckt und aufgetreten, dann das zweite, und mich schließlich mit den Armen gut an der Wand abgestützt gänzlich in die Höhe gehievt.
    Das Zeichen zum Aufbruch hatte der Sohn des Chefarztes gegeben, der mit einem weißen Kittel für seinen Vater und einer Schüssel zum Händewaschen hereinkommen war.
    Der Boden in der Mitte der Runde war nun knöcheltief mit abgezupften Stängeln übersät. Dort lag Abfall im Wert von mehr als €100.
    Alles ging nun sehr schnell. Dr. Mohammed sagte, er wolle noch in seine Praxis gehen. Ich ging aufs Klo und spuckte den Pflanzenbrei aus. Als wir zusammen die enge Treppe hinuntergingen, sagte Dr. Mohammed vorwurfsvoll, so als hätte er mich lieber für sich alleine gehabt: „Sonst sind noch nie so viele Leute zu der Khat-Runde gekommen.“
    Unser Abschied unten auf der Straße geriet kühl und förmlich. Ich war zu dem Zeitpunkt zu viel Herzlichkeit nicht mehr in der Lage. Es war ein Abschied für immer. Danach habe ich Dr. Pfefferschote nicht mehr gesehen.
    Vor dem Behandlungszimmer des

Weitere Kostenlose Bücher