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Afrika Quer (German Edition)

Afrika Quer (German Edition)

Titel: Afrika Quer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
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Sie, den Soldaten der Regierungsarmee aus dem Norden hätte jemand beerdigt? Ganz im Gegenteil: Die Lastwagenfahrer sind völlig absichtlich drübergefahren! Es war ja ein verhasster Soldat aus dem Norden.
    Es wäre eine Fehlfunktion in diesen Situationen, Mitleid mit „den armen Menschen“ zu haben. Man könnte seinen Job nicht mehr erledigen. Wichtig ist, Distanz zu bewahren, nicht mit seinen Gefühlen verwickelt zu werden. Und Witze in diesen Situationen zu machen, ist nun einmal der sicherste und eleganteste Weg, die Distanz nicht kleiner werden zu lassen.
    Ich konnte in gewisser Weise also den Zynismus von Dr. Mohammed verstehen. Was ich nicht verstehen konnte, war, dass er seine Witze nicht auf seine Gruppe beschränkte, sondern sie auch Leuten erzählte, die nicht seinen Hintergrund, seine Erfahrungen hatten.
    Bei der Khat-Runde habe ich dann jedoch gemerkt, dass Dr. Mohammeds Humor auch den anderen Ärzten nicht geheuer war.
    Ich holte ihn um die Mittagszeit im Krankenhaus ab. Mit uns kam Dr. Osman. Der Internist war gerade aus Äthiopien zurückgekommen und fing nun auch im Krankenhaus von Hargeisa als Arzt an. Wie Dr. Mohammed und viele der anderen Ärzte in der Khat-Runde hat er für eine Hilfsorganisation in einem Flüchtlingslager in Äthiopien gearbeitet, und Dr. Osman und Dr. Mohammed kannten sich von dort.
    Während der achtziger Jahre waren viele Somaliländer nach Äthiopien geflohen. Im Osten des Nachbarlandes leben sowieso überwiegend Somalis, und die Grenze ist nur etwas mehr als fünfzig Kilometer von Hargeisa entfernt.
    Wir waren die ersten, die zur Khatrunde eintrafen, so dass Dr. Osman sich noch wusch und betete. Moslems fallen beim Beten auf die Knie und drücken ihre Stirn fest auf den Boden. Dr. Mohammed feixte, und sagte zu mir, „Er betet!“, so als ob ich das nicht gesehen hätte. Mir war das peinlich.
    Und als wir anfingen zu kauen, wurde es auch Dr. Osman zuviel. Er hatte Dr. Mohammed aufgefordert, mir zu zeigen, wie man den Khat vorbereitet, zuerst mit dem Bündel ein paar mal auf seine Hand klopft, um das Ungeziefer abzuschütteln, dann die frischen Triebe und die jungen Blätter abzupft und mundgerecht auf eine Plastiktüte vor sich hinlegt.
    Aber Dr. Mohammed hielt das für unnötig. Er brummelte, dass das jeder machen kann, wie er will. Und da wurde Dr. Osman wütend.
    „ Nie tust du etwas, wie es sich gehört. Immer machst du dich über unsere Tradition lustig“, sagte er wütend.
    Und der Chefarzt des Krankenhauses erzählte mir später in der Khat-Runde den Spitznamen von Dr. Mohammed in verschwörerischem Tonfall.
    In Somalia hat fast jeder Mann einen. Es gibt nicht viele arabische Vornamen, und als Nachnamen trägt jeder den Vornamen des Vaters. Viele Somalis würden also gleich heißen.
    Oft ist der Spitzname nicht besonders schmeichelhaft. Ganz gerne bezieht er sich auf ein körperliches Gebrechen, wie „Fanah = Zahnlücke“ zum Beispiel. Garibaldi in Bosasso wurde nach dem italienischen Nationalhelden benannt, weil er im Land der ehemaligen Kolonialmacht studiert hat.
    Dr. Mohammed hieß „Pfefferschote“. Warum? „Weil sein Humor so scharf ist wie Pfeffer, und weil er Streit sät zwischen den Kollegen“, sagte der Chefarzt.
    Nach und nach kamen nun mehr Ärzte. Sie hatten den Vormittag im Krankenhaus gearbeitet, „für lau“ wie Dr. Mohammed mit einer wegwerfenden Handbewegung bemerkte. Nach der Khat-Runde gingen sie noch in ihre private Praxis. Damit verdienten sie ihr Geld. Dr. Mohammed hatte neben seiner Praxis sogar noch eine Apotheke.
    Wir kauten beim Chefarzt des Krankenhauses im Dachgeschoss. Seine Wohnräume waren im ersten Stock, und im Erdgeschoss hatte er seine private gynäkologische Praxis und eine kleine stationäre Klinik.
    Sein Dachgeschoss war speziell für die Khat-Runden eingerichtet. Auf dem roten Teppich waren knallrote Sitzpolster ausgelegt, in der Mitte standen Aschenbecher und Krüge mit Trinkwasser. Für den Chefarzt lagen außerdem schon seine „bequemen Kauklamotten“ bereit, ein somalischer Wickelrock und ein frisches weißes T-Shirt. Und der District Commissioner, was ungefähr dem Polizeichef eines deutschen Bezirkes entspricht, gab sofort seine Pistole beim Chefarzt ab - damit nichts passierte - und machte die obersten Knöpfe seiner Hose auf. Weil sie etwas eng war, nehme ich an.
    Insgesamt kamen zwanzig Ärzte und Angestellte aus dem Gesundheitsministerium. Zum Teil hatten sie Mappen mit Unterlagen dabei, um in der Runde

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