Afrika Quer (German Edition)
unnormalen Zustand geriet, der uns so beunruhigte und erschreckte, dass wir befürchteten, ihn einer Irrenanstalt zuführen zu müssen. Nach 8 Tagen, genau wie auf Sumatra, flaute der Zustand ab, er nahm wieder Nahrung zu sich, kam aber mit keinem Wort auf die entsetzliche, eben überstandene Zeit zurück; auch wir vermieden alles Fragen.“
Der Fall ist wirklich klassisch. Dass Karl May unter Zwang die Nahrung ins Klo beförderte, schließt jeden Zweifel aus. Die Regression in die anale Phase der Zeit als Kleinkind erscheint damit allzu deutlich.
Mit einem Mal sah man nur noch das schutzlose Kind, dessen narzisstische Panzerung um ihn herum wie ein Kartenhaus zusammenstürzte. Nun war er hilflos und allein in einem fremden Land, bei ihm nur sein treuer Diener und in Istanbul seine engsten Freunde. Sie hielten dicht. Sie wollten am Ruf von Kara Ben Nemsi, dem Bezwinger des Orients, nicht kratzen. Erst durch eine lapidare Mitteilung seiner Witwe, die - schließlich aus welcher Laune auch immer - das Schweigen brach, hat die Nachwelt davon erfahren.
Aber nach diesen Zusammenbrüchen, begann für Karl May auch ein zweites, nicht weniger produktives Leben. Mit seinen Münchhausiaden war es nun endgültig vorbei. Jetzt behauptete er sibyllinisch, seine Reiseerzählungen seien immer nur symbolisch zu verstehen gewesen. Und die Fotoplatten, die ihn in der Old Shatterhand/Kara Ben Nemsi-Verkleidung zeigten, vernichtete er ein paar Monate nach der Rückkehr von der Orient-Reise eigenhändig.
Aus dem Kara Ben Nemsi-Darsteller war nun, wie die Kenner seines Alterswerkes meinen - darunter immerhin Arno Schmidt – ein ernstzunehmender Schriftsteller geworden. Den „früheren Karl“ hatte der neue begraben. „Der ist mit großer Zeremonie von mir in das Rote Meer versenkt worden, mit Schiffssteinkohlen, die ihn auf den Grund gezogen haben“, schrieb er schon vier Wochen vor dem ersten Zusammenbruch an das Ehepaar Plöhn. „Habe hierbei bitterlich, zum Herzbrechen geweint“, heißt es dazu in der Eintragung am nächsten Tag.
Für Karl May war die Reise also völlig anders gelaufen als geplant. Aber für das Publikum, das damals von ihren Umständen nichts erfahren durfte, hätte eine gewichtige Lehre darin gesteckt. Das Fremde ist fremd, und wer es kennen lernen will, muss auf Überraschungen gefasst sein. Das erscheint sehr wenig, ist es aber nicht. Denn, was sich so selbstverständlich anhört, ist die Grundlage des friedlichen Zusammenlebens, der Beginn menschlicher Gesellschaft.
Autos im Endzustand II (Karthum – Grenze)
Von Karthum nach El Obeid konnte ich mit einem klimatisierten Reisebus fahren. Aber dann... Wenn auf meiner Landkarte die breiten, roten Linien enden, muss man auf das Schlimmste gefasst sein. Dann gibt es keine geteerten Straßen mehr, sondern nur noch Pisten.
Ich wusste, dass mich ab El Obeid das schwierigste Stück der Durchquerung erwartet. Auf den fast 2.000 Kilometern bis kurz vor der tschadischen Hauptstadt N’Djamena gibt es weit und breit keine einzige rote Linie.
In El Obeid standen zwei Autos, die nach Nyala fuhren, im west-sudanischen Darfur. Ich guckte sie mir genau an. Beide waren Jeeps aus den fünfziger Jahren mit einer Ladefläche, und beide sahen klapprig aus.
Ich entschied mich für den mit der Grün-Metallic-Lackierung, weil dort das Gepäck der Passagiere nicht 1,50 Meter hoch über die Fahrerkabine hinausragte und sich nicht so viele Leute auf der Ladefläche drängten.
Wie sich später herausstellte, lag das jedoch nur daran, dass der Fahrer und sein Helfer mit dem Beladen ihres Jeeps einfach noch nicht so weit waren. Als wir losfuhren, drängelten sich dann auch dreizehn Passagiere auf unserer Ladefläche.
Vier waren Soldaten mit signalfarbenen Schnüren am Revers. Außerdem vier junge Männer, die jeweils ein Transistorradio umhängen hatten. Ihren Radios hatten sie ein Kleidchen und einen Trageriemen aus buntem Häkelstoff schneidern lassen. Und sie hatten die Geräte immer dabei, nahmen sie überall mit hin, so als seien sie ihr größter Besitz. Trotzdem habe ich sie nie Radiohören sehen.
Dann waren da noch ein paar Männer, die, sobald wir anhielten, schnurstracks in den Busch gingen, um zu beten. Ob sie zusammengehörten, weiß ich nicht. Ich wusste nichts über all diese Männer. Denn ich konnte mich nicht mit ihnen unterhalten. Keiner sprach ein Wort Englisch.
Neben mir auf dem Beifahrersitz nahm ein Mann mit einem besonders imposanten Turban Platz. Er
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