Afrika Quer (German Edition)
hatte ein langes schneeweißes Gewand an, einen Knotenstock dabei und drehte immer eine Gebetskette zwischen den Fingern. Wenn wir anhielten, setzte er sich oft etwas getrennt von uns unter einen Baum, um zu meditieren. Bevor wir losfuhren, murmelte er immer ein paar Beschwörungsformeln, die mit „Bismillahi ...“ = Im Namen Gottes begannen. Und auch, wenn das Auto zu stottern anfing und wieder einmal stehen zu bleiben drohte.
Das tat es ganz gerne, aber der Sufi – so nannte ich ihn für mich – gab trotzdem nie auf. Obwohl seine Beschwörungen dreieinhalb Tage lang nie auch nur einen Erfolg zeigten, rief er weiter inbrünstig die Hilfe Gottes an. Und dreieinhalb Tage lang blieb das Auto ebenso unbeirrt stehen.
Gleich nachdem wir die Teerstraße verlassen hatten, wurden die Fähigkeiten des Sufi zum ersten Mal auf die Probe gestellt. Weil das Auto völlig überladen war, schleifte die Karosserie auf den Hinterreifen. Der Fahrer jedoch kam ohne die Hilfe des Sufi aus. Er und sein Helfer bogen einfach die Karosserie über den Reifen etwas nach außen. Fertig. Das Auto war repariert.
Während der gesamten Fahrt fuhren wir nie schneller als zwanzig Stundenkilometer. Trotzdem hatte das Auto die Fahreigenschaften eines Kleiderschrankes. Es war viel zu hoch beladen. Wenn die Fahrbahn schräg war, stellte der Fahrer den Schrank so, dass er auf meine Seite zu kippen drohte - und der dicke Sufi und er selbst natürlich auf mich drauf. Schon lange hatte ich mir ausgesucht, wo ich mich im Fall der Fälle abstützen und natürlich auch mit welchen Flüchen ich die beiden von mir herunter bekommen würde. Aber während der mehr als 500 km nach Nyala schaffte der Fahrer es eigentlich nur zweimal, die beiden Reifen auf seiner Seite längere Zeit in der Luft zu halten.
Am ersten Tag hatten wir ständig einen Platten. Um drei Uhr nachts steckten wir auf einmal mitten in der Wildnis fest und hatten keinen Ersatzreifen mehr. Ich ahnte Schlimmes. Aber bevor mir die Augen zufielen, sah ich noch, dass der Fahrer einen Autoschlauch in Stücke schnitt. Mit einem davon klebte er offenbar den Schlauch.
Ich habe das später immer wieder auf solchen langen Fahrten erlebt. Die Fahrer hatten alles dabei, alte Schläuche für Flicken, Vulkanisiermittel, Reifeneisen und Luftpumpen. Und sie klebten ihre Schläuche wie ich als Kind die meines Fahrrads.
Als ich mich entschied, Afrika an der breitesten Stelle zu durchqueren, hätte ich mir eigentlich denken müssen, dass ich dann nicht durch besonders abwechslungsreiche Landschaften fahren würde. Während der Reise verließ ich nie ein Band zwischen dem achten und sechzehnten Breitengrad.
Wenn man entlang der Breitengrade reist, bleibt man in derselben Klimazone und trifft deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit auf dieselbe Vegetation. Doch als wir jetzt mit der Geschwindigkeit eines müden Fahrradfahrers durch den Busch zuckelten, begann es mir so langsam zu dämmern, was das für die Durchquerung bedeutet.
Mit Ausnahme des äthiopischen Hochlandes fand ich alle Landschaften der Sahelzone bedrückend, und die auf der Strecke von El Obeid nach Nyala war es sogar noch ein bisschen mehr. Die Ebenen, die vor uns ausgerollt wurden, erschienen mir endlos. Am Himmel hielt sich wie fast immer in der Trockenzeit keine einzige Wolke. Sein tiefes Blau spannte sich grenzenlos über die vermaledeite Welt und ließ sie dadurch nur noch weiter und nutzloser erscheinen.
Auf der gesamten Strecke sah ich keinen einzigen Hügel, der den Namen verdiente, keinen Felsen und auch keinen Fluss. Es gab noch nicht einmal ein ausgetrocknetes Flussbett, das in der Regenzeit Wasser führen würde. Es gab nur Sand, ein paar verkrüppelte Akazien und ein paar knorrige Sträucher.
Das Einzige, was hier gut zu gedeihen schien, war die Calotropis. Der Busch ist genauso hässlich wie nutzlos. Er wird drei Meter hoch, hat hellbraune Äste und grasgrüne mit einer milchigen Flüssigkeit gefüllte Blätter. Selbst Ziegen, die außer Fleisch eigentlich alles fressen, rühren sie nur in Zeiten größter Dürre an. Davon gab es dichte Wälder.
Die einzige Abwechslung waren hunderttausende grün-weiß-gestreifter Wassermelonen, die wie von Geisterhand am Rande der Straße ausgelegt schienen. Felder konnte man das, worauf sie lagen, ja nicht nennen. Genauso wie alles andere waren sie von Kamelen und Ziegen beweidete Wildnis. Und weil die Blätter und die Stengel der Melonen schon abgefressen oder von der Sonne verbrannt waren,
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