Afrika Quer (German Edition)
und nur noch die Früchte herumlagen, konnte ich mir am Anfang nicht erklären, wie sie hierher gekommen waren.
Ein echter Glücksfall waren sie trotzdem. Ihretwegen mussten wir nur selten das brackige Wasser aus den Brunnen am Weg trinken. Wenn wir wieder einmal eine Panne hatten, holte einer von uns einfach ein paar Melonen, warf sie mit zwei Händen, wie einen Basketball, auf den Boden und zerteilte sie an einem Riss in der Mitte. Dann lagerten wir um die Hälften, gruben unsere ungewaschenen Hände in das weiße Fruchtfleisch, und einer durfte am Ende das übriggebliebene Wasser austrinken.
In dem kleinen Städtchen En Nahud hatten wir die erste größere Panne. Wir hatten eine Frühstückspause gemacht und wollten gerade wieder losfahren, als wir von hinten ein lautes metallisches Knirschen hörten. Ein Hinterrad war lose. Selbst der Fahrer hielt es für etwas ernstes. Erst wollte er nach El Obeid zurückkehren, aber dann überredete ihn ein Ersatzteilverkäufer am Markt, die Achse schweißen zu lassen.
Nach ein paar Stunden machten wir uns wieder auf den Weg, aber seit ich bei der Reparatur gesehen hatte, wie bei unserem Jeep die Blattfedern der Radaufhängung befestigt waren, war mir schon alles egal. Anstatt der ursprünglichen Stahlklammern hatte sie jemand mit Wäscheleinen und den dünngeschnittenen Streifen eines Autoschlauches umwickelt. Das gesamte Gewicht des Autos ruhte also auf etwas Gummi und einem schlechten Strick.
Ehrlich gesagt war ich etwas entmutigt. Ich dachte, damit schaffen wir es nie bis nach Nyala. Wir werden irgendwo mitten im Busch liegen bleiben und verdursten.
Aber da war ich noch ein Neuling auf solchen Reisen. Später habe ich festgestellt, dass sich das Prinzip Gummi bewährt zu haben scheint. Überall, ob im Sudan, im Tschad oder in Mali, und bei allen Autos, mit denen ich durch die Wüste fuhr, war die Radaufhängung so befestigt.
Am Nachmittag hatten wir wieder eine größere Panne. Ich weiß gar nicht mehr, weshalb wir hielten. Auf jeden Fall legte ich mich mit meinem Kurzwellenradio unter eine Akazie. Inzwischen war ich sicher, dass wir bis nach Nyala noch einiges vor uns hatten, und dass ich bis dahin noch ein paar Mal im Freien würde übernachten müssen. Und da passierte es.
Musik kann Dinge, die andere Medien nie könnten. Zum Beispiel umstandslos und zielsicher Schichten des Verstandes erreichen, die sonst nicht an die Oberfläche kämen.
Auf einem dämlichen Wunschprogramm der Deutschen Welle wollte jemand „True“ von Spandau Ballett hören. Wegen seiner Sentimentalität habe ich dieses Stück immer gehasst. Aber das war jetzt egal. Er erinnerte mich an die Zeit, als ich jung war, und nun verband sich die Erinnerung daran mit der Lage, in der ich jetzt steckte.
Außerdem war Samstag. Auf der Deutschen Welle folgten gleich noch die Live-Berichte der Fußballbundesliga, und die erinnerten mich noch mehr an meine Jugend. Zwar habe ich sie früher nie gehört, aber sie erfüllten damals eine ganz bestimmte Funktion.
Als der ideale Augenblick, der denkbar schönste Moment, die höchste Form von Glück erschien mir stets ein Samstag Nachmittag an einem Badesee. Am liebsten einer von den abgelegenen weit außerhalb der Stadt. Aber es musste auf jeden Fall Samstag sein. Nur an diesem Tag konnte ein solcher Augenblick geboren werden.
Denn als ich jung war, war der Samstag mit Abstand der schönste Tag der Woche. Seit ich mich erinnern kann, hatten wir an diesem Tag keine Schule. Am Sonntag natürlich auch nicht. Aber der war für Ausflüge reserviert, und dann warf der Montag auch schon seinen Schatten voraus.
Der Samstag dagegen hatte die richtige Mischung. Am Morgen war das Haus noch geschäftig mit Arbeiten, für die man unter der Woche keine Zeit hatte. Die Straße musste gekehrt werden. Wir Kinder mussten baden, und den ganzen Tag freute ich mich schon auf den Abend, wenn ich mit meinen Freunden ausgehen würde.
Der ideale Augenblick konnte also nur an einem Samstag denkbar sein: Es war Nachmittag. Es war heiß. Richtig drückend. Einer der heißesten Tage der Sommers bestimmt, und ich lag mit meiner Freundin allein auf einer Decke an einem See.
Überall war es still. Wir taten nichts, genossen nur die Stille. Nur irgendwo ein Stück weiter saßen Angler. Und sie waren es, die die Live-Berichte von der Fußball-Bundesliga hörten. Am besten aus dem Radio ihres Autos.
Warum die Angler wichtig waren, weiß ich nicht. Das ist ja bei Tagträumen immer so. Die
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