Afrika Quer (German Edition)
Kara Ben Nemsi Effendi reiste in den Wilden Orient.
Karl Mays nun folgende sechzehnmonatige Reise ist bestimmt das groteskeste Schauspiel seit Erfindung der Dampfschiffahrt.
Vor der Reise setzte er sein Testament auf – man weiß ja nie! -, aber letztendlich machte der 57-jährige eine Kreuzfahrt. Bis auf wenige Ausnahmen blieb er in den Hafenstädten und wohnte in gemütlichen Hotels, am liebsten wenn sie „Deutsches Haus“ oder „Bayrischer Hof“ hießen.
Und vor lauter Postkarten schreiben an die Zeitungen und die Verehrer in der Heimat kam er kaum dazu, die teuren Hotelzimmer zu verlassen. Aus Kairo schrieb er an einem Tag allein achtundsiebzig, aus Ulehleh auf Sumatra sogar 100 - die Briefe nicht mitgezählt. „25 allein an die bayrischen Prinzen“, berichtete er seiner späteren Frau Klara Plöhn, „denn die wünschen ganze Sammlungen.“
Letztendlich führte ihn die Reise nach Ägypten, Massawa/Eritrea, Aden/Jemen, Colombo/Sri Lanka – Bombay konnte er wegen der Pest nicht anlaufen - und bis Sumatra/Indonesien. Von dort telegrafierte er dem befreundeten Ehepaar Plöhn und seiner ersten Frau, ihm nach Ägypten nachzureisen. Zusammen mit den dreien besuchte er dann noch Palästina, Damaskus, Istanbul und Athen.
Dass jemand verreist, aber nie wirklich dort ankommt, ist ja nichts Neues. Karl Mays gesamte Reise erzählt von diesem Phänomen. Während der ganzen Zeit schrieb er süßlich-schwelgerische „Liebesgedichte“. Noch in Ägypten ging es darin um den Vierwaldstättersee: „Der Abend küsste grad die Nacht/Bei heilig ernstem Sternenleuchten/Da hab ich mich noch aufgemacht“
In Aden dann um eine heimatliche Herbststimmung: „Ich bin so müd, so herbstesschwer/Und möcht am liebsten scheiden gehn./Die Blätter fallen rings umher;/Wie lange, Herr, soll ich noch stehn?“
Aber von dem, was er unterwegs gesehen und erlebt haben muss, spiegelt sich so wenig in seinem Reisetagebuch und seinen Briefen, als wäre er gar nicht da gewesen.
Erst als er zusammen mit den Plöhns und seiner Frau unterwegs war, tauchte überhaupt in seinen Notizen ein bisschen von dem auf, was um ihn herum passierte.
Der Wahrnehmung des Schreibtisch-Reiseschriftstellers Karl May hat die Reise dennoch nichts neues hinzugefügt. Und auch die Fotos, die seine spätere zweite Ehefrau Klara, verwitwete Plöhn, von ihm gemacht hat, erzählen ihren Teil. Sie zeigen einen ältlichen Herren mit Tropenhelm und schneeweißem Anzug, der etwas verloren vor orientalischen Kulissen herumsteht - und der sich dessen auch völlig bewusst zu sein scheint.
Erst in dem ein Jahr nach der Reise erschienenen Buch „Und Friede auf Erden“ hat Karl May den Nervenzusammenbruch der Reise chiffriert dargestellt. Nur konnte das damals noch niemand wissen, denn von der Krise der Orientreise wusste außer den Plöhns und Karl Mays Ehefrau ja niemand etwas.
Die Öffentlichkeit in Deutschland musste damals denken, dass Kara Ben Nemsi Effendi zu den Stätten seiner bestandenen Abenteuer fuhr. Denn Karl May hat ja auch alles getan, um diese Legende zu verbreiten. Zuhauf schrieb er Briefe an deutsche Zeitungen, die die exotischen Grüße des berühmten Schriftstellers gerne veröffentlichten.
Seinem Verleger zum Beispiel schrieb er noch von unterwegs, die Reise werde ihn „nach Arabien zu Hadschi Halef, dann durch Persien und Indien nach China, Japan und Amerika zu meinen Apatschen“ führen.“ Und dem Chefredakteur der Pfälzer Zeitung berichtete er aus einem „Bischari-Lager. Sechs Reitstunden von Schellar in Nubien entfernt“: „Ich will Ihnen sogleich schreiben und danken, obgleich es hier im Beduinenlager weder Briefbogen noch Kouverts gibt. In meiner Satteltasche steckt etwas gewöhnliches Papier, und ein wenig Gummi Arabicum zum Zukleben holt mir die Frau des Scheiks aus ihrem Toilettentopf. Dann wird ein Bote mit dem Brief nach Schellal geschickt. Ich gehe jetzt nach dem Sudan. Die Engländer dulden das nicht, darum reite ich als Kara Ben Nemsi meine alten Karawanenwege. Dann will ich über Mekka nach Arabien zu meinem Hadschi Halef und mit ihm durch Persien nach Indien. Sie sehen, dass meine Bücher nicht in der Studierstube entstehen, wie hie und da ein kluger Kopf sich ausgesprochen hat. Wenn Sie sehen und hören könnten, wie es hier um mich her im Lager zugeht, so würden Sie es für unmöglich halten, dass man dabei überhaupt schreiben kann. Ich bin nämlich beim Kamelkaufe, und die halbkopf geschorenen Nomaden lassen mir keine
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