Agenten kennen kein Pardon
geschlagen.«
»Wird er sterben? Ralf!« Mabel umklammerte seinen Arm. Ihre Nägel drangen durch den dünnen Stoff des Hemdes in seine Haut. »Ralf, du weißt doch, was das heißt: radioaktive Strahlen. Man sagt doch immer, daß sie einen Menschen sofort töten.«
»Nicht immer. Wir wissen ja nicht, wie und wo sie ihn trafen, wie stark sie waren, und wie es vorkommen konnte. Auf jeden Fall müssen wir sofort nach Los Alamos.«
Dämmerung sank über die Straße und das brummende Auto. Die Berge taten sich auf. Über Cañons, die Flüsse und Bäche tief in die Felsen geschnitten, jagte der silberne Pfeil des Wagens.
Las Vegas. Kurzer Aufenthalt. Neu getankt.
Noch schlief Mabel. Sie lag ruhig in den Polstern.
Dr. Bouth zahlte und schwang sich wieder hinter das Lenkrad.
Noch eine halbe Stunde, und Santa Fé war erreicht.
Der Ort, von dem aus man hineinfuhr in das Labyrinth der Felsen, zwischen denen die Wunderwerke moderner Technik entstanden.
Die Atomstadt.
Die Stadt des Todes.
Nicht mehr so schnell, leise brummend, fuhr Dr. Bouth durch die Nacht. Es wurde kalt im Wagen. Er stellte die Klimaanlage herum, und mollige Wärme durchzog das Innere des Autos.
Einmal bewegte sich Mabel. Sie drehte sich herum und legte den Kopf an Ralfs Schulter. Er hielt still, bemühte sich, die Schulter beim Steuern nicht zu bewegen und schaltete mit der linken Hand.
Er umfuhr Santa Fé und bog in eine Straße ein, die schmal und oft gewunden sich durch das Gebirge quälte.
Langsam rollte der Wagen durch die in der Dunkelheit bizarren Schluchten.
Es waren Wege, die nur wenige kannten und an derem Ende die Kette mehrfach hintereinander gestaffelter Militärposten lag.
*
Vierzig Kilometer von Santa Fé liegt Alamos.
Zuerst war hier nichts. Nichts als Felsen, ein riesiger Cañon, bewachsen mit Pappeln, die spanisch Los Alamos heißen und der von den spanischen Entdeckern so getauft wurde. Er war ein Cañon wie alle anderen hier in der Gegend, durch abrupte Felsabstürze von über fünfzig Meter Tiefe voneinander getrennte Hochplateaus, deren Anblick zu den schönsten und gewaltigsten Naturbildern gehört, die unsere Erde dem menschlichen Auge zu bieten hat.
Cañon Los Alamos ist nur eine Felsenschlucht inmitten der vielen anderen, die nebeneinander von Ost nach West auf den Rio Grande zulaufen. Pajarito, Water, Frijoles, Bayo, Pueblo, Guaje, Valle und Sandia sind Nebentäler, die alle zum Los Alamos gehören und ein Gewirr von Schluchten bilden, in denen sich nur die Eingeweihtesten zurechtfinden.
Wer nach Los Alamos fahren will, wird es nie über eine der bekanntesten Straßen erreichen. Er muß erst vierzig Kilometer nach Norden fahren, bis er die kleine spanisch-amerikanische Stadt Española erreicht, von dort kehrt er wieder um und fährt auf einer schlangenartigen Straße nach Südwesten, die sich 25 Kilometer lang durch ein Tafelland windet. Es ist mehr ein Pfad als eine Straße, wenn sie in die Cañons eindringt, schmal, kurvenreich, gefährlich durch plötzlich seitlich auftauchende Felsabstürze. Es ist der einzige Weg, der nach der Stadt Los Alamos führt, die Straße, die das Schicksal unseres Erdballs trägt, denn über ihre holprige Decke rollten die Lastwagen, die die Bomben für Hiroshima und Nagasaki trugen, die die Bomben für Alamogordo und Bikini hinaus in die Welt schickten, – es ist die Straße, über die die größten Wissenschaftler der Welt gingen, Dr. Fermi, der Schöpfer der ersten Atombombe, Dr. Chadwick, der das Neutron entdeckte, Prof. Oppenheimer, der Leiter aller Atomversuche, Dr. Bohr und Dr. Wheeler, die zuerst die Atomspaltung berechneten und ein Spaltgesetz aufstellten, der greise Prof. Einstein und Prof. Dr. Paerson. Es ist die Straße, die hinausführt in eine Welt, die in einer Sekunde, nach der Explosion der ersten Bombe in der Wüste New Mexicos, ein anderes Gesicht bekam: das bleiche Antlitz eines Sterns, der wartet auf Untergang oder einmalige Erhebung über den Sinn der göttlichen Schöpfung.
Es ist die Straße, die Dr. Bouth langsam, mit abgeblendeten Lichtern, fast tastend herunterfuhr.
Zu beiden Seiten ragten die Felswände auf. Schwarz, überhängend, als stürzten sie jeden Augenblick über das kleine Fahrzeug, das sich an ihren Füßen durch die Schlucht wand.
Die erste Kontrolle wurde passiert. Man kannte Dr. Bouth, prüfte die Ausweise von Mabel Paerson und ließ den Wagen durch. An der vierten Kontrolle stand Oberst Perkins, der Chef der Sicherheitsabteilung.
Dr.
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