Agenten kennen kein Pardon
… und in diesen dreizehn Jahren war er der einsamste unter allen Menschen geworden, weil er die Grenze des Menschlichen hinter sich ließ.
Er ging die Tische entlang und zog mit dem Zeigefinger spielerisch tiefe Rillen in den Staub. An der elektrischen Kontrolluhr drückte er einen Relaishebel herunter und sah, daß der Strom noch nicht unterbrochen war und die Leitung arbeitete. An der Schalttafel des kleinen Cyclotrons hingen dichte Spinnweben … er ließ sie hängen und sah durch ein dickes Quarzauge in das Innere des Brenners. Die Graphitblöcke lagen noch darin, die ersten Versuchsblöcke von Los Alamos.
Etwas wie eine tiefe Wehmut ergriff ihn. Er setzte sich auf den staubigen Stuhl und sah sich in Gedanken dreizehn Jahre zurückversetzt. Dr. Fermi, Dr. Wheeler und Prof. Oppenheimer standen damals hinter ihm und beobachteten die ersten kleinen Elektronenvolt-Spannungen, die im Oszilloskop emporschnellten. Damals war man glücklich, fiel sich um den Hals … und heute?
Er ging an die Seite, wo man zwischen die Magneten des Cyclotrons die Vakuumröhre einschieben konnte. Er zog sie heraus und untersuchte sie. Das Metall war noch gut, es konnte halten.
Langsam ging er durch den Raum zurück zu seinem Wagen und schleppte den kleinen Bleiklotz herein. Er stellte ihn auf den Tisch und lief zurück. Mit einem Stapel Akten voll Aufzeichnungen, Berechnungen und Konstruktionszeichnungen im Arm kehrte er zurück und legte sie neben den Cyclotron auf eine Bank. Dann trug er den Bleikasten hinter ein dickes Bleischild, streifte sich dicke Gummihandschuhe über die Hände und öffnete mit einem Metallgreifer den Deckel. Aus der Mitte nahm er eine winzige Masse Metall, steckte sie in eine Bleikapsel und trug diese zu der Vakuumröhre des Cyclotrons.
Es waren Handgriffe, die er in den Jahren schon mechanisch ausführte, die zu seinem Lebensrhythmus gehörten wie Essen und Schlafen. Es war eine Arbeit, die er mit geschlossenen Augen verrichten konnte … das Füllen eines Cyclotrons.
Dann saß er vor dem Oszilloskop und wartete. Er schaltete den Strom ein, die Hochspannungsquelle begann zu surren, die Uhren zu beiden Seiten der Maschine begannen mit den Zeigern zu pendeln.
Zwischen den Magneten rasten die Atomkerne durch das elektrische Feld. Das Atomthermometer kletterte langsam hoch. 500.000 … 1.000.000 … 7.000.000 Volt! Prof. Dr. Paerson sah auf seine Armbanduhr. Sie zeigte 23.32 Uhr nachts.
Er drosselte den Strom etwas und packte die Akten, die neben ihm lagen, vor sich an den Fuß des Cyclotrons. Seine ganze Lebensarbeit lag vor ihm … die einzigen schriftlichen Aufzeichnungen über seine neue Spaltung, die es gab, waren nicht höher als zehn Zentimeter.
Zehn Zentimeter Papier … In ihnen ruhten dreizehn Jahre Forscherarbeit. Nur zehn Zentimeter … nicht höher war der Untergang der Welt, wenn man ihn berechnen wollte.
Die Hochspannungsquelle summte. Das Oszilloskop zitterte bei 10.000.000 Volt. Mit unvorstellbarer Geschwindigkeit, mit einem rasenden Lauf von 10 Milliarden Umdrehungen in der Sekunde, jagten die Atome zwischen den beiden Magneten herum.
Mit ruhigem Gesicht saß Prof. Dr. Paerson auf seinem Stuhl. Er hatte die Hände gefaltet und betete. Still, mit stummen Lippen. Seine Augen waren geschlossen … wie ein großer Friede durchzog es seine blassen, eingefallenen Züge.
Sein Gebet dauerte nicht lange. Er hatte wenig zu sagen in diesen Minuten, da er endgültig die Grenze überschritt. Er war mit sich und seinen Kindern klargeworden … er war auch klar mit seinem Gott, den er herausgefordert hatte und der stärker war als er.
Er beugte sich vor. Seine Hand ergriff einen Hebel, der den vollsten Strom durch das Kraftfeld jagte und der die rasenden Atome, die Energie der Masse, freigab.
Die Finger krampften sich um den kleinen Metallstab. Dann senkte sich der Arm.
In Los Alamos, in allen Cañons, selbst in Santa Fé fuhr man aus den Betten, rannte man aus den Werken auf die Straße, quollen die Arbeiter und Techniker aus den unterirdischen Anlagen, als eine riesenhafte Explosion die Luft erschütterte und die Erde wie ein Schiff auf hoher See erbeben ließ. Eine ungeheure Feuersäule schoß zwischen den Felsen hervor in den Nachthimmel, ein langer Strahl weißen Qualms stieß in das Dunkel und verbreiterte sich oben zu einem weiten Pilz.
Dr. Fermi, der vor seinem Haus stand, schrie auf.
»Eine Atomexplosion!« brüllte er. »Alarm! Alarm!«
Die Sirenen heulten auf. Das Militär jagte
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