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Agenten lieben gefährlichen

Agenten lieben gefährlichen

Titel: Agenten lieben gefährlichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Notapotheke. »Und wenn ich sie mir um den Hals hänge wie ein Bernhardinerhund sein Cognacfäßchen … sie ist das letzte, was ich wegwerfe!« hatte Forster gesagt. Und so war es auf dem ganzen langen Marsch durch die Grüne Hölle gewesen: Stück für Stück warfen sie weg, um leichter für den Gang durch diese grüne, dampfende Unendlichkeit zu werden. Die Apotheke blieb auf dem Rücken Forsters.
    Mit Forster kamen auch sechs Mädchen in die Hütte. Sie brachten große Schüsseln aus Kürbisschalen mit warmem Wasser und begannen, die Gäste zu waschen. Man hatte jetzt keine Zeit, sich zu schämen, und vor wem sollte man das auch? Cliff, Dr. Forster und Ellen Donhoven ließen sich ausziehen, die kleinen braunen Hände drückten sie auf die Palmblätter zurück, und dann floß das Wasser über die nackten Körper und schabten die Hände den Schmutz und den Schweiß wochenlanger Qualen von der Haut.
    »So etwas Ähnliches habe ich einmal in Japan erlebt«, grunzte Cliff wohlig und dehnte sich unter den kleinen, massierenden Fingern. »Hinterher ist man müde wie ein Marathonläufer, aber dann spürt man, wie frisches Leben durch alle Adern zieht. Verdammt, ich könnte vergessen, daß wir auf einer Gewehrmündung liegen …«
    Auch Ellen Donhoven schloß die Augen. Ein wohliges Gefühl durchrann sie. Die flinken, kleinen Hände strichen über ihren Körper und schienen ihn zu verzaubern. Eine nie gekannte, selige Müdigkeit hob sie wie eine Feder hoch und ließ sie wegschweben. Ihre letzten Gedanken waren: Wie wunderbar ist diese Ruhe – dann schlief sie ein.
    Fast gleichzeitig wachten sie auf. Trommelklang drang dumpf in die Hütte, dazwischen Gekreisch und ab und zu ein hoher, gellender Ton, sekundenlang, auf- und abschwellend wie eine Sirene. Cliff blickte auf seine Füße. Die Apotheke stand ungeöffnet an der runden, geflochtenen Wand. Statt dessen waren seine Füße mit großen Blättern umwickelt, und als er die Zehen in diesem Verband bewegte, merkte er, daß man die Füße dick mit einer Salbe eingerieben hatte.
    »Moco scheint nichts von der modernen Medizin zu halten … er hat anscheinend zuviel in der Missionsstation gesehen«, sagte Haller sarkastisch. »Wetten, Doc, daß dieses Naturheilverfahren besser ist?« Er setzte sich auf und sah sich um. Die hilfreichen Hände, die sie in den Schlaf massiert hatten, mußten sie später auch wieder angezogen haben, denn sie waren nicht mehr nackt, sondern trugen wieder ihre Kleider.
    »Wie fühlt ihr euch?«
    »Wunderbar!« sagte Ellen und reckte sich. »So eine Stunde Schlaf wirkt Wunder.«
    Ihr Erwachen schien gemeldet worden zu sein. Irgendwo saßen Beobachter und verfolgten alles, was in der Hütte geschah. Moco kam herein und lachte. Er trug nicht mehr seinen gewaltigen Paradiesvogelfederschmuck, sondern nur ein Stirnband aus Pantherfell.
    »Guten Morgen, Señorita und Señores«, sagte er und blieb lachend an der Tür stehen. »Wir mußten dreimal das Essen kochen, bis Sie endlich aufwachten.«
    »Guten Morgen?« Cliff fuhr sich über das Gesicht. »Moco, wie lange haben wir geschnarcht?«
    »Einen und einen halben Tag …«
    »Was?« Ellen sprang auf. »Ich dachte, eine Stunde!«
    »Warum auf die Uhr sehen, Señorita?« Moco fuhr mit beiden Händen durch die Luft. »Wir haben die Zeit vergessen … aber leider vergißt die Zeit nicht uns.«
    »Sie haben viel gelernt bei den Pastoren, Moco.«
    »Und viel Falsches, Señor.« Moco senkte den Kopf, und sein Mund verkniff sich. »Ich habe gelernt: Liebet eure Feinde … kann man das wirklich? Kann man jemanden lieben, der einen Menschen jagt, nur weil er eine andere Hautfarbe hat? Wissen Sie, Señor Haller, daß man in den letzten zehn Jahren über dreißigtausend Indios getötet hat? Einfach getötet, weil es Indianer waren. Und nicht nur die Männer, auch die Frauen und Kinder! Wie auf Tiere hat man auf sie Jagd gemacht. Es gab Prämien für jeden toten Indio. Und wenn man in den Stammesgebieten Kautschuk fand oder fruchtbares Farmland, dann wurden die Stämme ausgerottet und ein weißer Großgrundbesitzer übernahm das leere, blutgetränkte Land. Aber niemand spricht darüber, in keiner Zeitung wird darüber geschrieben, kein Parlament behandelt es – man deckt die Morde mit Schweigen zu … denn es sind ja nur Indios!«
    »Sie haben viel gelernt, Moco«, sagte Cliff noch einmal und stützte sich auf Ellen. Er machte ein paar Schritte in den Blätterschuhen und fand, daß seine Füße nicht mehr brannten

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