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Aggression: Warum sie für uns und unsere Kinder notwendig ist (German Edition)

Aggression: Warum sie für uns und unsere Kinder notwendig ist (German Edition)

Titel: Aggression: Warum sie für uns und unsere Kinder notwendig ist (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesper Juul
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Eltern, Erzieher und Pädagogen in eine andere Existenzsphäre entrückt sind, in der es ausschließlich Liebe gibt? Nein, keinesfalls! Sie haben bloß eine Art zu reden und sich zu verhalten angenommen, die der Form nach nicht als aggressiv gilt. Die Gewalt der Freundlichkeit und Korrektheit – so könnte man sie nennen. Es ist jene Art getarnter Aggression und verbaler Gewalt, die die Älteren und Eloquenteren auf Kosten der Jüngeren und weniger Eloquenten leichten Herzens und offen austragen – ohne jedes Risiko, denn die wahre Natur dieser Form von Aggression offenbart sich nur über die Erfahrung der Schwächeren. Und da die Auskünfte der Schwächeren gewohnheitsmäßig nicht ernst genommen, geschweige denn gehört werden, setzt sich die Gewalt der Freundlichkeit und Korrektheit kontinuierlich fort. Doch gerade sie verletzt die Integrität der Kinder am stärksten.
    Eine dänische Studie, an der fünf Kindergärten beteiligt waren, zeigt, dass die Mehrheit der Kindergartenkinder empfindet, 80% der Zeit, die sie mit Erwachsenen verbrachte, beschimpft worden zu sein, während Erwachsene meinten, nur 20% der Zeit geschimpft zu haben. Die Differenz ergab sich daraus, dass die Erwachsenen ihr Verhalten nur dann als aggressiv erkannten, wenn sie ihre Stimme erhoben und mit einer wütenden oder aggressiven Körperhaltung aufwarteten. [5]
    In Familien vermitteln Kinder ihren Eltern diese Empfindung, indem sie die Finger in die Ohren stecken. Zu Hause kommen sie damit oft unbeschadet davon. In Institutionen können sie sich allerhöchstens taub stellen und bekommen möglicherweise eine Diagnose verpasst. Viele Studien zeigen uns, dass zahlreiche Schulkinder von ihren Lehrern mehrmals pro Woche gemobbt werden, was allerdings die Lehrer ihrerseits und deren Organisationen stets systematisch verneinen. Wie kommen sie damit durch? Sie sind einfach gerissener als Kinder, die andere Kinder mobben – subtiler, indirekter und sehr viel selbstgerechter. Sie sollten Scham über ihr eigenes Verhalten empfinden, tun es aber nicht. Stattdessen zeigen sie mit dem Finger auf aggressive Kinder und verweisen diese von der Schule. Und so leben wir unseren Kindern Demokratie und Gerechtigkeit vor.
    Ist das nicht unfair? Ja und nein. Es ist unfair, wenn wir davon ausgehen, dass diese Lehrer und Pädagogen »auch nur Menschen sind«, wie wir das oft paradoxerweise ausdrücken. Ich meinerseits möchte keineswegs die Rolle des Opfers von den Kindern auf die Lehrer schieben. Mir liegt daran, darauf hinzuweisen, was geschieht, wenn wir im alten Erziehungsparadigma steckenbleiben, wonach immer der Schwächere beschuldigt wird. Ein Aspekt des neuen Paradigmas besteht darin, zu realisieren, dass die Subjekt-Subjekt-Beziehungen (die sich fundamental von den Subjekt-Objekt-Beziehungen unterscheiden) sehr viel gesünder sind, und zwar für alle beteiligten Parteien. Zudem liegt mir daran zu unterstreichen, dass immer der Mensch, der die Obermacht innehat, auch für die Qualität der Beziehung verantwortlich ist.
    Um ein Maximum an Gesundheit im Leben von Erwachsenen und Kindern zu sichern, ist es entscheidend, dass Erwachsene das Risiko eingehen, sich wie Menschen aus Fleisch und Blut zu verhalten und echt zu sein: Individuen mit allen möglichen Gefühlen und Reaktionen einschließlich der irrationalen. Mit anderen Worten: dass Erwachsene riskieren, verletzlich, lebendig und so authentisch wie möglich zu sein.
    Ich glaube, es ist an der Zeit, etwas Licht in unsere wichtigen zwischenmenschlichen Beziehungen zu bringen. Für Kinder sind die Beziehungen zu ihren Erziehern beides: wichtig und persönlich. Politische Korrektheit und Formalitäten sind für ein oberflächliches Miteinander und eine Schuldvermeidungsstrategie gewiss hinreichend und nicht verkehrt. Der Gedanke, dass eine berufliche Beziehung eine distanzierte sein sollte, war allerdings nie fruchtbar für Kinder und Jugendliche; zudem hat er Erzieher, Lehrer und Pädagogen oft behindert und an erfolgreichen Ergebnissen ärmer gemacht.
    Um die wichtige Beziehung zwischen Erwachsenen und Schülern geistig gesund, konstruktiv, herausfordernd und fruchtbar werden zu lassen, müssen wir uns anders darauf einlassen: Die gesamte emotionale Musik und Poesie, die wir in uns tragen, muss zum Klingen gebracht werden – einschließlich Gereiztheit, Frustration, Wut, Zorn und Hass. Nur auf diese Weise, indem wir unsere vielfältigen Emotionen ausdrücken und austauschen, können wir reif und

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