Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin
Krampe, gleich darauf schwang die zersplitterte Tür ganz auf; die Pritsche stellte kein ernst zu nehmendes Hindernis dar. Auf der Schwelle, teuflisch grinsend, stand der Einschildner; die blanke Waffe in der Faust. Und dann berührte die Schärfe der Breitaxt Agnes’ Brust, und der Ritter raunzte hämisch heraus: „Da ist sie ja, die Zuberhur’!“
Das Primitive an dem Mann, sein so dreckig verzogenes Maul stachelten noch einmal den Widerstandswillen der Blonden an. Sie zwang sich dazu, die Hand auf die blitzende Klinge zu legen, das Beil wegzudrücken und zu entgegnen: „Herzog Albrecht ist mein Gatte und der Vater dieses Kindes, das Ihr zu Tode erschreckt habt! Wenn der Wittelsbacher erfährt, was hier geschehen ist, wird er Euch einkerkern lassen zur Strafe für Eure Untat!“
„Du kommst ins Verlies, Dirne; nicht ich!“, brüllte der Kleinadlige. Die Vorhaltungen der Morganatischen hatten ihn kein Quäntchen beeindruckt. Während Agnes in die Knie sank und ihre Arme um Sibylla schlang, setzte er hinzu: „Im Auftrag des Münchners handle ich; ich sehe dir’s an, dass du weißt, was das bedeutet!“
Die Blonde schwieg; es schien nur noch ihr Kind für sie zu geben, sonst nichts mehr.
„Meine Gefangene bist du!“, setzte der Einschildner grob hinzu. „Wenn du noch weitere Sperenzchen machst, kriegst du Prügel! Und jetzt hoch! Raus aus dem Rattenloch hier, Hexe du! Das Balg kannst du vorerst noch bei dir behalten!“
Der Rückweg durchs nackte, zwängende Gestein, die Bewaffneten vor und hinter sich, war die grausame Übersteigerung ihres Albtraumes; nichts anderes konnte die Vierundzwanzigjährige jetzt mehr denken. Erst im Palas dann, als sie wieder Luft bekam und zumindest ein bisschen Abstand zu den Bütteln einzuhalten vermochte, kam sie so weit wieder zu sich, dass sie den Sinn des letzten Satzes, den der Ritter gesagt hatte, begriff. „Was habt Ihr mit meinem Kind vor?!“, fuhr sie den Kleinadligen an.
„Mama!“, jammerte Sibylla auf; instinktiv hatte sie jäh begriffen, was sie bedrohte.
„Die Göre bleibt auf der Burg, was denn sonst?“, schnappte der Einschildner. „Wäre ja noch schöner, wenn wir uns auf dem Strom herumärgern müssten mit ihr!“
„Auf dem Strom …?!“ Die Bernauerin blickte verstört, gehetzt von einem Häscher zum anderen, doch jede der Männerfratzen schien bloß aus stahlkalten Konturen zu bestehen. Bis dann plötzlich doch ein menschliches Antlitz auftauchte; das des Priesters. Einer verzweifelten Eingebung folgend, drängte Agnes sich zu ihm durch, zerrte die Dreijährige mit sich, drückte das Körperchen gegen die Soutane. „Betzwieser, du musst dich um sie kümmern!“, flehte sie. „Sie wollen mich von Sibylla trennen; du musst dafür sorgen, dass ihr Vater …“
„Ich werde mich deines Kindes annehmen“, flüsterte der Weißhaarige; Tränen standen dabei in seinen guten Augen. „Aber wer wird dich beschützen, Agnes …?!“
„Schluss jetzt! Die Sache ist geklärt!“, raunzte wiederum der Ritter, riss die Blonde brutal von ihrer Tochter und dem Kleriker weg. „Die Handschellen her!“, fuhr er gleich darauf einen seiner Männer an. „Und den Mantel dazu, damit es draußen nicht so auffällt!“
Die Bernauerin, während Sibylla die ganze Zeit nach ihr schrie, musste es dulden, dass man sie fesselte gleich einer Verbrecherin und sie vermummte wie eine Delinquentin. Dann wurde sie nach unten gestoßen und getrieben; der Priester machte keine Anstalten, ihr zu folgen. Agnes war ihm letztlich sogar dankbar dafür: Sie hätte um keinen Preis gewollt, dass ihr Kind noch mehr gequält wurde. Sie selbst freilich litt wie ein Vieh, als man sie auf dem Hof in die Kalesche zwang; als die Kutsche dann anrollte und davonpolterte.
Durch das Fensterloch im Leder sah die Vierundzwanzigjährige wie zerfetzt die Gassen und Fassaden der Stadt vorbeihuschen; der Stadt, in der sie einmal so glücklich gewesen war. Jetzt jedoch schienen die verzerrten Facetten sie zu verhöhnen und zu verspotten, und dies wurde immer schlimmer, bis das Gefährt zuletzt an der Donaulände anlangte, wo bereits der Schnellruderer wartete. Oberhalb Vohburgs, in Mehring, hatten die Schiffer die Nacht über gelauert, doch davon wusste die Gefangene nichts; sie nahm jetzt auch die lüsternen Blicke und die Anwürfe kaum mehr wahr, als man sie an Deck brachte und ihre Handschellen an der Sitzbank festmachte. Wie versteinert kauerte sie da, bis das Schiff ablegte, stromabwärts;
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