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Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin

Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin

Titel: Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckl
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schlagartigen Forteitern heraus nun das noch überdimensionalere Tier; der luziferisch rote Percheron, verwachsen scheinbar mit dem gepanzerten Reiter zum zottig-metallischen Zentaur.
    Totentänzerisch heran das Ungeheuer. Ein Stampfen wie ein hufig-horniges Zupacken über die allerletzte Distanz hinweg. Das Stahlschrillen, Klirren und Dröhnen auf einmal gedoppelt. Über dem zuckenden Schädel des Viehs der andere, der grauenhaft Gesichtslose. Gebündelt dies Menschen- und Lebensverachtende in der dreizackigen Spitze der Stoßwaffe. Geballt dort die kreischend heranjagende Angst – und diese greifbar gewordene existenzielle Furcht direkt auf die Herzgrube des Wittelsbachers gerichtet.
    Was mit dem nächsten Herzschlag geschah, war nichts als hirnloser Überlebenstrieb, verzweifelter Selbstbehauptungswille, unbewusst-kreatürliche Panik. Säuglingsnackt in seiner Panzerung, seelenzittrig und gleichermaßen faustkrampfig, führte und benutzte Albrecht von Bayern-München die eigene Lanze. Führte sie, fintete und forkelte, hörte mit knatterndem Knall den Schaft brechen, empfing im gleichen Augenblick den gegen ihn gerichteten Stoß, wehrte ihn instinktiv ab, lenkte ihn seitlich – und schoss auf jetzt völlig ungebärdigem Ross an seinem Gegner vorbei; wie blind im schweißdämpfigen Helm plötzlich.
    Die Parade dann am anderen Ende des Domplatzes; alles Körpergewicht nach hinten geworfen auf die Kruppe des Rappen, dazu brutal das Reißen an den Zügeln. Erst als er die Volte ritt, wurde dem Münchner bewusst, dass die Menge jetzt wieder tobte, dass sie ihn hochleben ließ, dass sie tausendfach seinen Namen rief. Mit der Rechten diesmal hieb Albrecht das Visier hoch; mit demselben Lidschlag war die Tortur, die er durchgemacht hatte, nur noch ferne, vage Erinnerung; allein der Schweiß brannte ihm jetzt noch salzig in den Augen. Und dann sah er den Gegner, den Feind, den feudalen Untertanen drüben, nahe der Domtreppe; schildlos war der Graf, auch hing er deutlich verkrümmt im Sattel, während der Wittelsbacher – „Der Dreifaltigkeit sei Dank!“, zischelte er unbewusst – nicht die geringste Schramme davongetragen hatte. Aufseufzend ließ er sich jetzt vom Jubel der Zaungäste auffangen, ließ sich hineinfallen aus seiner aufgesprengten Schale in diese Geborgenheit. Gleich darauf ließ er den Rappen tänzeln, quer über den Platz; lange ehe er den blessierten Grafen erreichte, sah er den Greifenschild verbeult auf dem Pflaster liegen, daneben die Splitter der eigenen Lanze. Der Anblick der Schutzwaffe, des in den Dreck getretenen Adelswappens überkrönte ihm seinen Sieg, bedeutete ihm ungleich mehr als der glückliche Stoß. Im Inwendigen schien ihm auf einmal ein Furunkel aufgeplatzt zu sein, das ihn schon wochenlang gequält hatte, und so setzte er – genau über dem zerdellten Schild – seinen Percheron nun in zügigen Trab, ritt schnurstracks zu dem Schwaben hinüber und reichte ihm die gepanzerte Hand. Wiederum, und noch lauter als vorher, jubelten Pöbel und Patrizier ihm daraufhin zu.
    Später, im bischöflichen Palast, während die Knappen ihn Stück für Stück aus der Rüstung und dann aus dem essiggetränkten Unterzeug 8 schälten, vermochte Albrecht von Bayern-München erstmals leidlich rational an die Affäre mit der tollen Elisabeth von Württemberg zu denken. Und da es lange dauerte, bis sein Leib völlig vom Harnisch befreit und gewaschen war, konnte er sich die Angelegenheit so ziemlich in allen Einzelheiten in Erinnerung rufen.
*
    Gräflichen Standes war sie; eine Tochter Eberhards von Württemberg, der freilich schon im Jahr 1417 verstorben war. Doch gerade aus diesem Grund hatte Albrechts Vater, der regierende Herzog Ernst, die Brautwerbung mit allen Mitteln vorangetrieben. Eine Heirat seines Sohnes mit der württembergischen Erbin hätte den bedeutendsten Territorialstaat im Südwesten des Reiches unter die wittelsbachische Fuchtel gebracht; die Hausmacht des Teilherzogtums Bayern-München 9 hätte dadurch in etwa verdoppelt werden können.
    Doch dies war, zumindest in den Augen Albrechts selbst, nur der eine Aspekt der verlockenden Partie gewesen. Fast mehr noch hatten ihn der Ruf und die äußere Erscheinung Elisabeths gereizt. Eigenwillig und klug sei sie, so hieß es von ihr; keine fade Spinnwirtel, sondern ein Vollweib, das für einen Mann, übers Bett hinaus, auch zur Vertrauten tauge. Was aber wiederum das Bett angehe, so könne jeder sich glücklich schätzen, den sie zu sich

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