Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin

Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin

Titel: Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckl
Vom Netzwerk:
Weinhändler grunzen, und Urschel erweckte jetzt den Eindruck, als ritte sie in seltsamer Stellung auf einem feisten, schwabbelhäutigen Schwein.
    Schon oft hatte die Tochter des Baders so etwas erblickt; es hätte sie längst nicht mehr stören dürfen, dennoch fühlte sie sich auf einmal betroffen. Sie wusste, dass es nur von der Laune des Vaters abhing, wer dem Grunzeber zu Diensten sein musste; es hätte ebenso gut sie erwischen können, und dieser Gedanke ekelte sie jetzt plötzlich über die Maßen. Vielleicht, so schoss es ihr durch den Kopf, hing dies mit den Rittern zusammen, die sich derzeit in Augsburg aufhielten; von denen hatte gewiss keiner einen solch abstoßenden Wanst, mit einer derartigen Wamme würde kein Kavalier mehr in eine Rüstung passen. Der Gedanke war erheiternd; er wischte Agnes den Ekel weg, sie ließ den Blick weiter durch die Badstube schweifen.
    Die Zecher an der hinteren Querwand waren allmählich jenseits von Gut und Böse. Um ein Trüppchen Marktschreier handelte es sich, die am Vormittag, ehe das Turnier begonnen hatte, ihre welschen Waren auf dem Domplatz feilgeboten hatten. Inzwischen hatten sie ein Gutteil ihres Gewinns wieder vertrunken, und Agnes – immer noch aus diesem fremdartigen Losgelöstsein heraus – dachte nun über die so offensichtliche Dummheit der Fahrenden nach; auch über die Hirnlosigkeit im menschlichen Charakter allgemein – bis sie dann unvermittelt den gurgelnden Schrei vernahm.
    Der alte Bernauer hatte in der Vesperstunde, da die meisten Gäste in die Kirchen gelaufen waren, endlich Zeit für den mit der aufgeschwollenen Wange gefunden. Den ganzen Nachmittag über hatte der Kerzenzieher mit dem vereiterten Zahn sich notgedrungen mit Branntwein traktiert. Jetzt aber klammerte er sich verzweifelt am chirurgischen Stuhl fest, und in seinem weit aufgesperrten Mund machte sich – als wolle er ihn meucheln – der Bader mit der Zange zu schaffen. Das eine Knie, um besseren Halt zu haben, hatte Kaspar Bernauer dabei gegen den Schoß des Bedauernswerten gestemmt, mit dem linken Arm hielt er ihn zudem in der Genickschere, und nun drehte er jäh das Instrument mit brachialer Gewalt. Das Schreien des Handwerkers wurde zum Brüllen, mit dem nächsten Lidschlag zusätzlich zum Blutspucken; triumphierend seinerseits hielt der Bader das angerostete Instrument hoch, und der Augenzahn zwischen den Zangenbacken sah erstaunlicherweise so harmlos aus wie eine kleine, verschrumpelte Pastinake 14 .
    In seinem Zuber, er war inzwischen fertig mit der drallen Urschel, grunzte der Weinhändler Beifall; verlangte gleich darauf von seiner gewesenen Gespielin, dass sie ihm einen Imbiss und einen frischen Krug Punsch servieren solle. Der Kerzenzieher taumelte von seinem Marterstuhl, warf dem Hausherrn zittrig den gemünzten Lohn vor die Füße und verschwand mit blutversudeltem Wams nach draußen. „Undank ist der Welt Lohn!“, raunzte Kaspar Bernauer, dann sammelte er sorgsam die verstreuten Pfennige auf.
    Kaum hatte er das letzte Kupferstück eingesäckelt, als über den Dächern der Stadt neuerlich das vielfältige Glockenläuten aufklang. „Raus aus deinem Schmollwinkel!“, wandte der Bader sich seiner Tochter zu. „Die Vesperandachten sind vorbei, die hochwürdigen Herren“ – er bekreuzigte sich wieselflink – „haben das Amen gesungen. Jetzt hebt das große Geldscheffeln an in der Gasse Zwischen den Schlachten; ich hab’s im Urin! Wirst’s sehen, Agnes, heut suhlt sich gar noch der eine oder andere Ritterliche im Zuber bei uns! Also schleun dich, zieh dir ein frisches Hemd an, auf dass du was hermachst, wenn die noblen Gäste kommen!“
    Die Blonde, unwillkürlich, duckte sich; sie hatte sich also doch nicht getäuscht – der Alte hatte sie nicht schonen wollen an diesem Tag, bloß aufsparen. Einen Herzschlag lang regte sich Widerstand in ihr; ein Stimmchen glaubte sie zu vernehmen: Warum immer nur die Brunst und nie Liebe?! Im nächsten Augenblick aber verflüchtigte sich die inwendige Auflehnung wieder: Wer sollte sie schon lieben, wo sie doch nichts als die schöne Metze, die Reiberin, die Ehrlose war?! Ihren Körper, ja, den wollten sie alle, und so mancher hatte ihn in den zwei Jahren seit ihrer Entjungferung auch bekommen, hatte ihn genossen unterm Grölen der anderen Gäste, aber nachher hatte ihr nie einer ein zärtliches Wort vergönnt; nachher war immer bloß das geschehen, was der Kerzenzieher vorhin auch mit dem Vater gemacht hatte: Irgendwie war ihr

Weitere Kostenlose Bücher