Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin
Brennenden! In seiner Not hatte der junge Wittelsbacher sich jedoch gesagt, dass das Fastenbrechen selbst in den hochheiligen Klöstern und dort sogar mit Dispens des Papstes betrieben werde; warum, zum Teufel, sollte er selbst dann katholischer sein als die Kirche?! Und so hatte er sich in der zweiten Januarhälfte, als einfacher Einschildner 10 verkleidet, erneut nach Heidelberg aufgemacht, hatte inkognito Quartier genommen in einer Spelunke zu Füßen des Schlosses und hatte von dort aus wiederum seine Fühler in Richtung der verlockenden Kemenate auszustrecken versucht.
Hatte aber alsbald zur Kenntnis nehmen müssen, dass der Paradiesvogel ausgeflogen war. Ein gräflicher Lakai, und der hatte ihn beim Wein recht seltsam gemustert, hatte es ihm gesteckt: Nach Sargans, im oberen Rheintal, war Elisabeth schon gleich nach der Besiegelung des Ehevertrages abgereist. Graf Johann von Werdenberg-Sargans, der dort sitze, sei ein alter Freund der Heidelberger Sippe; auch früher schon – so der Kammerdiener weiter – habe sich die württembergische Erbin öfter bei ihm in den Bergen aufgehalten.
Albrecht von Bayern-München hatte sich auf diese Nachricht hin einen gotteslästerlichen Rausch angetrunken; verkatert und mit dröhnendem Schädel hatte er am nächsten Morgen den schneepudrigen Weg zurück in die väterliche Residenz unter die Hufe genommen. Im Brunststau, schlimmer denn je, war er durch die Wintertage gesprengt; hin und her gerissen hatte es ihn zwischen Sehnsucht und Wut; Wut wegen der blödsinnigen Laune der tollen Württembergerin. Anderes und Schlimmeres hatte er sich während seines Dahinhetzens noch nicht ausgemalt; die eigentliche Hiobsbotschaft, die kreuzverfluchte, hatte ihn dann erst kurz nach seiner Heimkehr in der Alten Veste 11 zu München erreicht.
Die Hure, die Metze, das vom Teufel gerittene Weib hatte offensichtlich von allem Anfang an ein ganz abscheuliches Spiel mit ihm, Albrecht von Bayern, getrieben. Hatte ihn in ihr Bett gelassen, hatte Süßholz geraspelt mit ihm, hatte mit keinem Mucks widersprochen, als die Diplomaten den Heiratskontrakt ausgehandelt hatten, hatte der eigenen und der Sippe des Verlobten die willige Braut vorgespielt – und hatte gleichzeitig hinter dem Rücken aller Beteiligten eine Kabale mit jenem Grafen Johann von Werdenberg-Sargans aufrechterhalten. Hatte sich von dem oberrheinischen Hundsfott minnen lassen, vermutlich schon seit Jahren, und war zuletzt, als ihr die wittelsbachische Hochzeit immer näher ins Haus stand, unter einem scheinheiligen Vorwand nach Sargans ausgerückt. Und dort – der Spion, der die Kunde gebracht hatte, hatte sie Albrecht gegenüber nur zitternd vorzubringen gewagt – hatte sie sich nunmehr heimlich mit dem Burgherrn vermählt.
Zerplatzt wie eine Seifenblase also die hochfliegenden Pläne der Münchner! Der alte Herzog Ernst hatte getobt wegen der Hausmacht; wegen der neuen Territorien, die er schon sicher in der Faust zu halten geglaubt hatte, die ihm nun wieder zu einem Nichts zerronnen waren. Bei seinem Sohn hatte der Schock noch ungleich tiefer gesessen; nicht allein um der reichen Grafschaft Württemberg willen war er schließlich scharf auf das Rabenaas gewesen, seine Lenden und sein Herz hatten nach ihr gebrüllt; vertraut hatte er ihr, geliebt hatte er sie – und nun zum Dank diese infame Maulschelle! Nun zum Dank die Vorstellung, wie sie es mit dem anderen trieb, dem oberrheinischen Hengst, und Albrecht, tage- und nächtelang, hatte sich genau dies immer wieder ausmalen müssen, in allen jetzt abstoßenden Einzelheiten. Er hatte gelitten unter der Erniedrigung und dem vermeintlichen Treuebruch wie ein Hund, wie ein Vieh, und einmal in dieser weinschwangeren und seelenkratzigen Zeit hatte er den regierenden Herzog aufgefordert, dem verräterischen Pack auf der Stelle den Krieg zu erklären; die Schande mit Blut abzuwaschen.
Glücklicherweise war Ernst trotz allem besonnen genug gewesen, dieses Ansinnen abzulehnen. „10.000 Gulden – den Batzen werden die Heidelberger bezahlen müssen!“, hatte er geraunzt. „Aber ein militärisches Vorgehen können wir uns nicht leisten, solches könnte uns selbst sehr schnell das Genick brechen! Der Ingolstädter, der gebartete Ludwig, wäre der lachende Dritte! Herfallen würde er seinerseits über unser Land, kaum dass unsere Rösser württembergischen Boden kahlzufressen begonnen hätten! Also schlag dir die Rache aus dem Kopf, Sohn; sie bringt uns nichts ein! Gibt ja auch noch
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