Agnetha Fältskog. Die Stimme von ABBA (Die ABBA-Tetralogy) (German Edition)
genau, was sie aufnehmen möchte und was nicht. Wenn sie später sagt, als ihr ein paar Lieder vorgespielt werden, die sie mit Dieter auf Platte gepresst hat: „Bin ich das wirklich gewesen? Manche Dinge lassen aber auch nicht die geringsten Spuren im Gedächtnis zurück“, dann spricht das Bände.
Little Gerhard: „Ich habe Dieter Zimmermann mehrmals getroffen, er war ein netter Kerl. Aber es war offensichtlich, dass er entscheiden wollte, was sie tun sollte. Er war sehr bestimmend.“
Die Beziehung zerbricht daran, dass sich keiner mehr darum bemüht, sie aufrecht zu erhalten.
Agnetha: „Wir sahen uns immer weniger. Wir waren beide eifersüchtig und wollten wissen, was der andere machte. Wir wollten heiraten, aber es gab nie einen Hochzeitstermin. Aber wir hatten schon Möbel eingekauft für das Haus, in das wir einziehen wollten. Als wir dann beschlossen, auseinander zu gehen, war ich eine Weile niedergeschlagen, weil man doch einiges gemeinsam hatte.“
Agnetha ist also wieder in ihrer Heimat gelandet. Little Gerhard von Cupol sieht die Sache gelassen, dass es in Deutschland mit Agnetha nicht weitergeht: „Die Songs, die Dieter mit ihr aufnahm, passten nicht so gut zu ihr. Er wollte immer ihren Gesang anders haben. Agnetha fand Dieters Ideen schließlich auch schlecht und löste die Verlobung. Zurück in Schweden, lief wieder alles prima. Und erst recht, nachdem sie Björn Ulvaeus getroffen hatte.“
Björn & Benny und Agnetha & Anni-Frid
Die Zeit in Deutschland stellt sich im Rückblick als Niederlage heraus. Das Geschäft dort ist weit härter als vermutet. Und selbst wenn man sich zu Kompromissen bereit findet, heißt das noch lange nicht, dass man damit automatisch in die Hitparade kommt und berühmt werden kann. Dass man es aber nicht geschafft hat, bleibt nicht geheim, drückt einem erst mal den Stempel des Verlierers auf. Agnetha geht mit gemischten Gefühlen nach Schweden zurück. Sie spürt ihr Scheitern selbst – und alle anderen Kollegen, die ihren Exodus mitbekommen haben, wissen es auch, dass es ihr nicht gelungen ist, Deutschland im Sturm zu erobern. Auch in Schweden findet Agnetha kein gemachtes Nest vor. Auch hier ist das Publikum innerhalb eines Jahres längst anders geworden. Ihre ersten Hits sind beinahe vergessen. Manche haben sich die deutschen Singles gekauft, Agnetha dabei als Schlagersängerin kennengelernt und haben vielfach keine Interesse mehr, sie besser kennen zu lernen. Die Revolution der Jugend erfasst auch Schweden, stürzt auch hier alte Denkweisen um. Das Image des dämlichen Blondchens mit den billigen Liedern kann Agnetha in diesem Umfeld nicht brauchen. Sie möchte es so schnell wie möglich abschütteln. Schlager ist endgültig out, „engagierte“, „politische“ Musik dagegen liegt vor allem in Schweden, wo man auf Folk steht, im Zeitgeist. Seitdem Bob Dylan, Joan Baez und andere in Amerika den Protestsong etabliert haben, gehen nun mit einigen Jahren Verspätung auch in Europa die „Liedermacher“ um. Sie klingen wie die Hootenany Singers, aber ihre Texte sind politisch geworden.
Zu den ernsthaften Liedermachern möchte nun auch Agnetha Fältskog gezählt werden. Sie schreibt also ein kritisches Lied mit dem Titel „Zigenarvän“ [3] (Zigeunerfreund). Das Lied klingt sehr leicht und melodiös, und der Text ist ein bisschen albern, doch für Agnethas Image ist er ein großer Sprung, verwendet musikalische Elemente aus der Zigeunermusik und ist zumindest ernst gemeint. Der Tenor: Lasst uns gut zu Zigeunern sein, sie gehören auch zu uns. Da sich im Land gerade Fremdenfeindlichkeit Luft macht, löst das Lied eine Kontroverse aus. Viele Fans wenden sich von Agnetha ab. Zum Großteil sind es solche, die in ihr einen „arischen“ Engel sehen, Ewiggestrige aus der rechten Szene, aus dem Umfeld von Nazikollaborateuren, die eine fremdenfeindliche Politik unterstützen. In diesen Kreisen gilt das Lied als Verrat. Aber auch stilistisch passt es überhaupt nicht zu den übrigen süffigen und harmlosen Pop-Balladen, mit denen Agnetha bekannt geworden ist. Und der Versuch, sich bei linken Kritikern mit einer anspruchsvollen Ballade lieb Kind zu machen, scheitert kläglich. Sie kaufen keine Platten. Und außerdem werfen sie Agnetha Geschäftemacherei vor, eine Anschuldigung, die sie in ihrer Karriere öfter hören wird, vor allem in ihrer Zeit bei ABBA. Die Kontroverse hilft Agnetha trotzdem mehr, als sie ihr schadet. Bad news is good news, sagen die
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