Agrarwende jetzt
Wasserkrafträdern organisiert wird.
Ökolandwirte mit Zukunft sind zugleich Energiewirte. Das müssen viele traditionelle Ökobauern noch lernen. Viele von ihnen sperren sich dagegen genauso wie herkömmliche Bauern. Dabei kommen immer reflexartig die leicht widerlegbaren Argumente »Monokultur« und »zu viel Flächenverbrauch«, wenn es um Energie aus Biomasse geht. Als ich auf der »Bio-Fach 2001« in Nürnberg die erfolgreiche Geschichte des US-Farmers Wes Jackson erzählte, erntete ich noch einen Sturm der Entrüstung. »Bioprodukte müssen einfach teurer sein«, schallte es mir wie ein ideologisches Glaubensbekenntnis entgegen. Dass ein Biobauer mit eigener Energieversorgung 30 Prozent seiner früheren Kosten einsparen und deshalb erfolgreich eine Preisrevolution einleiten konnte, durfte einfach nicht wahr sein. Biobauern sind auch nicht automatisch und grundsätzlich offen für neue Erkenntnisse. Es mag ja sein, dass dieses Beispiel aus den USA nicht übertragbar und schon gar nicht verallgemeinerbar ist, nachdenkenswert und nachahmenswert ist es allemal - erst recht bei den steigenden Preisen der alten Energiequellen.
Aber Vorurteile gibt es eben nicht nur in der konventionellen, sondern auch in der biologischen Landwirtschaft:
• Nur kleine Höfe können ökologisch wirtschaften: In der alten DDR arbeiten mehr als 100 Betriebe, die größer als 2000 Hektar sind, konsequent ökologisch.
• Ökoprodukte müssen immer und für alle Zeit teurer sein: Der Kieler Agrarökonom Weimar von Alvensleben hat in einer Studie über schwedische Milchbauern beschrieben, dass ökologisch erzeugte Milch zum gleichen Preis produziert werden kann wie herkömmliche.
• Ökoprodukte sollten immer und für alle Zeit beim Biobauern auf dem Hof gekauft werden: Die Ökobilanz fällt negativer aus, wenn Millionen Städter beim Biobauern zum Einkaufen fahren, als wenn umgekehrt die Biobauern ihre Produkte in die städtischen Supermärkte bringen. Es wird künftig Direktvermarktung - mehr auf dem Land - und Bioprodukte in Supermärkten - mehr in Städten - geben müssen, wenn die 100-prozentige Agrarwende gelingen soll.
Zur berühmten Ganzheitlichkeit eines Biobetriebes gehört auf jeden Fall die Selbstversorgung mit erneuerbaren Energien. Ökologisch zu produzieren mit unökologischer Energie, ergibt langfristig keinen Sinn. Ökologische Lebensmittel mit umweltzerstörender Energie zu erzeugen, ist so inkonsequent wie der Verweis vieler Bierbrauer auf das über 600 Jahre alte Reinheitsgebot: Das Reinheitsgebot allein bewirkt für die Produktqualität gar nichts, wenn Hopfen und Braugerste zuvor chemisch traktiert worden sind.
2. Zur Kultur gehört der Urkult
Agrarkultur bedeutet außer der herkömmlichen Landwirtschaft auch die Entwicklung der so lange vernachlässigten ländlichen Räume. Kultur kommt vom lateinischen Verb »colere« und heißt »pflegen, pflügen, verehren«. Zur Kultur gehört also immer auch der Urkult des Religiösen, die Verbindung zum Göttlichen. Religion war, ist und wird immer und überall Verehrung, Dankbarkeit und das tiefe Bewusstsein von Liebe und Achtsamkeit gegenüber allem, was lebt, sein. Für den großen deutsch-französischen Arzt und Theologen Albert Schweitzer war Religion »Ehrfurcht vor allem Leben« - also exakt das, was wir heute verloren haben. Die ökologische Krise ist zutiefst eine Krise des Religiösen, eine Krise der Ehrfurcht vor dem Leben. Die geistige und religiöse Krise unserer Zeit kulminiert in dem scheinbar fortschrittlichen Satz aus nahezu allen Parteiprogrammen der Industriestaaten: »Der Mensch im Mittelpunkt«. Was so selbstverständlich und fortschrittlich scheint, ist die Ursache der Katastrophe. Der Ausweg heißt: »Das Leben im Mittelpunkt«. Leben, selbstverständlich auch menschliches Leben, hat nur Bestand in Vernetzungen mit tierischem und pflanzlichem Leben. Deshalb ist langfristig das derzeitige Artensterben von 150 Spezies pro Tag nicht nur eine Katastrophe für die entsprechenden Tier- und Pflanzenarten, sondern auch für uns Menschen. Wir sind die erste Generation der Spezies Homo sapiens, die ihren Brutinstinkt zu verlieren scheint, wenn nicht noch das »Wunder« der Umkehr passiert, das folgender Witz auf den Punkt bringt:
Im Weltraum begegnet unsere Erde einem anderen Planeten, der sie fragt: »Wie geht es dir, liebe alte Erde?« - »Nicht gut, ich habe Homo sapiens an Bord«, antwortet die Erde. »Mach dir nichts daraus, das vergeht wieder«,
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