Agrarwende jetzt
gegen Krankheitserreger und »Schädlinge«. Die Nützlinge, die auf natürliche Art mit den »Schädlingen« fertig wurden, sind durch Pestizide oder durch das Ausschalten wertvoller Biotope wie des eben beschriebenen Sees im Süden von Bangladesch ausgerottet worden.
Der Kanton Aargau in der deutschsprachigen Schweiz hieß vor 45 Jahren noch der »blaue Kanton«. Neun Zehntel seiner Fläche sind von Wald und Wiesen, von Ackerund Rebland bedeckt. Aargau war der »blaue Kanton«, weil seine Wiesen üppig mit blauem Wiesensalbei bewachsen waren. Der Wiesensalbei ist ein Indikator für gesunde, nicht überdüngte Böden.
Heute ist der Aargau eher ein »gelber Kanton« - es dominiert der gelbe Löwenzahn. Der Löwenzahn zeigt an, dass die Böden überdüngt sind. Auf ihnen haben die meisten Blumen keine Chance mehr. Und der anspruchslose Löwenzahn - getränkt von Gülle - schmeckt selbst den Kühen im Aargau nicht mehr. Die Milch der Aargau-Kühe hat einen wesentlich faderen »Geschmack« als zum Beispiel die Milch von Demeter-Kühen auf den Hochvogesen.
Die Chemielandwirtschaft hat einen totalen Sieg errungen - einen ziemlich geschmacklosen.
Die neueste Giftphilosophie der Chemiekonzerne ist noch raffinierter als die alte. Sie funktioniert nach der Devise: »Darf es vielleicht ein bisschen weniger Gift sein?« So schreibt Bayer in einer Broschüre: »Heute reichen bereits wenige Gramm eines Pflanzenschutzwirkstoffs für einen Hektar Ackerfläche aus… In 2000 Litern Wasser ist oft nicht einmal ein Kilogramm Wirkstoff gelöst.«
Biozide, die hier Wirkstoffe heißen, sind ganz wörtlich Mittel, »die Leben töten«. In der Bayer-Zeitschrift »Research« heißt es über den angeblichen Schutz der Pflanzen: »Dazu muss das Präparat in die Pflanze eindringen, um über ihr Nährstofftransportsystem an alle wichtigen Stellen zu gelangen. Mithilfe schwacher Radioaktivität gelingt es, den Wirkstoffweg in der Pflanze zu verfolgen.«
Diese Pflanzenmanipulationen sollen schnurstracks in die Gentechnik führen. »Mithilfe schwacher Radioaktivität« schauen die Lebenssezierer nach, ob die Pflanze in ihrem Sinne funktioniert. Dieses Besser-machen-Wollen als die Natur selber haben die Griechen Hybris genannt. Hybride werden in der Tier- und Pflanzenzucht Inzuchtlinien genannt, die nicht mehr fortpflanzungsfähig sind. Das heißt: Bauern werden über das Saatgut abhängig von multinationalen Konzernen, denn diese beherrschen den Saatgutmarkt.
Und diese Hybris betreibt die Agrochemie unter dem Stichwort »Kampf dem Welthunger!« und mit der Behauptung »Gegen Hunger hilft nur Agrochemie und Gentechnik«. Das führt uns zum dritten Mythos.
3. Gegen Hunger helfen nur Agrarchemie und Gentechnik
Jährlich verhungern über 50 Millionen Menschen. Etwa 800 Millionen Menschen hungern auf unserem Planeten. Werden zu wenig Lebensmittel produziert? Gegenwärtig stehen jedem der sechs Milliarden Menschen täglich mehr als ein Kilogramm Getreide und Hülsenfrüchte, ein halbes Kilogramm Fleisch, Milch und Eier sowie ein halbes Kilogramm Obst und Gemüse zur Verfügung. Rein statistisch betrachtet, muss niemand hungern oder verhungern, im Gegenteil, wir haben Nahrungsmittel im Überfluss.
Es gibt etwa so viel Menschen mit Übergewicht, wie es Untergewichtige und Hungernde gibt. Hunger und reiche Ernten gibt es oft in denselben Entwicklungsländern. Etwa 80 Prozent aller unterernährten Kinder leben in Ländern mit Nahrungsmittelüberschüssen, errechnete die Weltgesundheitsorganisation. Aber häufig werden Nahrungsmittelüberschüsse aus Entwicklungsländern als Tierfutter in die Industriestaaten geschickt. Die Lebensmittel der Armen werden von den Schweinen und Rindern der Reichen gefressen. Entwicklungsländer sind oft hoch verschuldet und beschaffen sich über Lebensmittelexporte Devisen, auch wenn die eigene Bevölkerung hungert. Menschen hungern also nicht, weil es zu wenig Lebensmittel gibt, sondern weil sie dem Missmanagement ihrer Regierungen machtlos gegenüberstehen. Oder sie werden durch Großgrundbesitzer sowie durch Kriege und Bürgerkriege vertrieben. Die Hungersnöte in Äthiopien und Eritrea, in Somalia und im Sudan haben politische Ursachen.
40 Prozent der Getreideernten weltweit landen heute in den Futtertrögen der Tiere, in Deutschland schon über 50 Prozent, errechnete das Bundesministerium für Landwirtschaft. Und laut Bundesumweltministerium sind 80 Prozent aller pflanzlichen Produktion für die Ernährung der
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