Agrarwende jetzt
ökonomisch und erst recht moralisch am Ende.« Eingeladen hatte der deutsche Fleischverband. Selten habe ich eine ganze Wirtschaftsbranche so jammern gehört, denn es ist den Leuten nicht mehr länger Wurst, wo sie ihr Fleisch kaufen.
In einer Fernsehdokumentation haben brasilianische Kaffeebauern ihre Abhängigkeit von der Chemieindustrie so erklärt: Zur Unkrautbekämpfung sollten sie Herbizide einsetzen. Dadurch entstand nackter Boden zwischen den Pflanzen, und die Folge war Bodenerosion. Gegen die mussten sie dann mit wasserlöslichen Düngemitteln und besonders viel Stickstoffdünger ankämpfen. Dieser Einsatz schädigte den Boden und machte ihn anfälliger für Schädlinge. Gegen diese wurden dann Insektizide empfohlen. Daraufhin bekamen die Pflanzen Pilzkrankheiten, wogegen die Bauern Fungizide einsetzen mussten. Nach ein paar Jahren kamen dann die Milben, weil der Boden noch mehr gelitten hatte. Und gegen die Milben sollten sie wiederum Chemie spritzen.
»Wir wurden immer abhängiger, unsere Arbeit immer teurer und unser Kaffee immer schlechter«, erzählten die Bauern einer Kaffeeplantage.
Der chemische Pflanzenschutz will das Problem der Schädlinge lösen, potenziert es letztlich aber nur. Die technokratischen Lösungen sind »hard technology«, die immer »härtere« Technologien erfordern.
Die Natur setzt seit Millionen Jahren erfolgreich auf sanfte Lösungen - wie den ökologischen Landbau. »Deshalb«, sagt José Lutzenberger, Brasiliens ehemaliger Umweltminister, ehemaliger BASF-Manager und heute weltweit bekannter und engagierter Umweltberater und Ökobauer, »haben Gifte in den Böden grundsätzlich nichts zu suchen, auch nicht in kleinen Mengen. So wenig wie Schwermetalle oder Kupfer, Nickel, Kadmium und Schwefelsäure im Abwasser.«
Ein Getreidefeld von einem Hektar enthält fünfmal mehr Proteine als ein ebenso großes Feld, dessen Ertrag als Viehfutter verwendet wird. In Argentinien und Mexiko, in Australien und Neuseeland gelten große Rinderherden als Inkarnation von Macht und Reichtum. Das viel zu viele Rindfleisch wird massenhaft nach USA und Europa exportiert. Dafür mussten seit 1960 25 Prozent der Wälder Südamerikas abgeholzt werden. Nach Ausbruch der BSE-Krise warb McDonald’s in Deutschland mit BSE-freiem Rindfleisch aus Argentinien! Dort aber wird unter dem »Trommelfeuer der Rinder« (der Vegetarier Jeremy Rifkin) die biologische Vielfalt zu Staub zermahlen.
III. Kapitel
Was wollen wir essen?
1. Was ist ökologische Landwirtschaft?
In Deutschland wurde der ökologische Landbau vor rund 75 Jahren durch zwei Richtungen geprägt:
• die biologisch-dynamische Landwirtschaft nach Rudolf Steiner und
• die organisch-biologische Landwirtschaft nach Hans Müller.
In der Schweiz ging Hans Müller vom biologisch-dynamischen zum organisch-biologischen Landbau über und ließ die kosmischen Einflüsse aus Steiners anthroposophischem Weltbild außen vor. Die biologisch-dynamische Landwirtschaft ist heute unter dem Markennamen »Demeter«, die organisch-biologische unter »Bioland« bekannt.
Die konventionelle Landwirtschaft unterstützt die Agrarproduktion durch chemische Eingriffe zur Düngung und zum Schutz gegen Schädlingsbefall - bis hin zur Gentechnik. Der ökologische Landbau hingegen nützt die natürlichen Ressourcen des Bodens für eine ertragreiche und gesunde Pflanzen- und Tierproduktion. Das dominante Leitbild des ökologischen Landbaus heißt:
• Produktion von Lebendigem und
• ökologischer Umweltschutz.
Regionale Schwerpunkte des ökologischen Landbaus in Deutschland sind Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Saarland, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen.
Ökologische Landwirtschaft bedeutet eine ganz neue Agrarkultur, Agrarästhetik und Agrarethik: vernetztes Wirtschaften mit den Kräften und Energien der Natur, mehr Handarbeit, artgerechte Tierhaltung sowie Vermarktung der eigenen Produkte. Das heißt, Lebensmittel müssen frisch sein und auf kurzen Wegen zu den Verbrauchern kommen. Eine erfolgreiche ökologische Landwirtschaft der Zukunft wird darüber hinaus zum Beispiel von den Bauckhöfen bei Lüneburg oder von den Hermannsdörfer Landwerkstätten bei München und Hannover lernen, wie Abfall- und Abwasserentsorgung funktioniert, wie ökologisch gebaut wird, wie Kunst auf dem Acker eine Attraktion sein kann und vor allem, wie die eigene Energieerzeugung durch Biogasanlagen, Sonnenkollektoren, Fotovoltaik, Windräder oder das Reaktivieren von
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