Agrarwende jetzt
für die »neue« ökologische Landwirtschaft. Warum also soll sie besser und warum sollen ihre Produkte gesünder sein als die alte Landwirtschaft?
Landwirte haben grundsätzlich andere Produktionsbedingungen als Industriebetriebe. Sie sind abhängig von Lebewesen und Naturvorgängen. Deshalb braucht die Landwirtschaft als Lebenswirtschaft Menschen mit Lust auf Kreativität, Initiative und Verantwortung. Lebenswirte müssen permanent selbstständige Entscheidungen treffen.
Die heutige Agrarplanwirtschaft ist abhängig von einer nicht mehr zeitgemäßen Agrarwissenschaft, ausschließlich profitorientierten Chemie- und Pharmakonzernen und einer ineffizienten Agrarbürokratie. Sie braucht für morgen klare Vorgaben für Tierschutz, Umweltschutz und Verbraucherschutz und kann dann wieder mehr auf die Demokratie des Marktes vertrauen. Es gibt zur Zeit noch Milchkontingentierungsbürokratien, die mehr Personal beschäftigen als die Bauern Melkpersonal.
Die alte Landwirtschaft hat sich in den Industriestaaten spätestens ab 1955 - in den USA noch früher- an der Ideologie des Industrialismus orientiert, also nicht am Optimum, sondern am Maximum. Für eine neue zukunftsfähige Landwirtschaft gilt jedoch das genaue Gegenteil. Die alte Landwirtschaft hat sich zu Erfüllungsgehilfen der Agrarindustrie und deren Produktionsmechanismen machen lassen. Das heißt, Kräuter und Schädlinge mussten vernichtet werden ohne Rücksicht auf Verluste. Jetzt lernen Biobauern Beikrautregulierung statt Unkrautvernichtung und praktizieren bodenschonende Landbautechnik.
Ökobauern arbeiten regenerativ. Regenerative Landwirtschaft bedeutet, dass wieder aufgebaut wird, was verloren oder zerstört war. Biobauern verzichten auf Höchsterträge. Allerdings haben auch sie ihre Erträge in den letzten Jahren erhöhen können. Vorurteile, dass sie nur 30 bis 50 Prozent gegenüber ihren konventionellen Kollegen ernten, sind längst widerlegt. Aber 20 bis 25 Prozent ernten Biobauern im Durchschnitt schon weniger, bei Getreide etwa 15 Prozent. Dafür erzielen sie für ihre Qualitäts- und Geschmacksprodukte höhere Preise. Im biologischen Landbau sind die Pflanzen vitaler, gesünder und weniger krankheitsanfällig. Biobauern erzielen heute etwa so viel weniger Erträge, wie heute in der EU zu viel produziert wird.
In einem Teil der alten Landwirtschaft werden auch Tiere zu Produktionsfaktoren reduziert: in möglichst kurzer Zeit so viel Fleisch, Eier oder Milch wie möglich zu erwirtschaften. Dass Tiere als unsere Mitgeschöpfe eine Seele haben und Angst, Freude und Trauer wie wir empfinden können, spielt keine Rolle mehr, Hauptsache Profit.
Aber auch das ist ein geistiges Gesetz: Alles was wir Tieren antun, tun wir uns an. BSE hat es verdeutlicht: Erst vergiften wir vegetarisch lebende Rinder mit Tierabfällen, und dann vergiften sie uns. Angesichts der brennenden Rinderberge während der jüngsten BSE- und MKS-Krise haben Millionen Menschen bewusst oder unbewusst diese Zusammenhänge wieder gespürt und - wenn auch still an der Fleischtheke - gegen den Wahnsinn protestiert.
Das neue Berliner Landwirtschaftsministerium hat einen langen Namen: »Ministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft«. Trotzdem fehlt etwas ganz Wesentliches: Tierschutz. Ein Ministerium für Tierschutz ist so wichtig wie ein Ministerium für Verbraucherschutz. Aber die Regierung Schröder hat nicht den Mut zu sagen, dass es Verbraucherschutz ohne Tierschutz gar nicht geben kann. Der zeitgemäßere Name für ein neues Landwirtschaftsministerium müsste heißen: »Ministerium für Tierschutz, Verbraucherschutz und Lebenswirtschaft.«
IV. Kapitel
Szenario für die Agrarwende bis 2030
1. Der Ökolandbau verändert Europa
Wie neu ist eigentlich die »neue« Landwirtschaft? Bis 1950 hat die Landwirtschaft in Europa etwa so gewirtschaftet, wie es den Anforderungen des heutigen ökologischen Landbaus entspricht.
Zwischen 1950 und 1980, also in etwa 30 Jahren, wurde die Landwirtschaft dann auf das heute praktizierte System der agrochemischen Landwirtschaft umgestellt. Das von mir beschriebene Szenario sieht vor, dass in etwa derselben Zeit von heute an, also bis 2030, der Umbau zur biologischökologischen Landwirtschaft wieder gelingt. Skeptikern halte ich entgegen: Warum sollte im selben Zeitraum, in dem der alte Umbau gelungen ist, der neue nicht gelingen?
Seit 15 Milliarden Jahren existiert unser Planetensystem, seit etwa fünf Milliarden Jahren unser
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