Agrarwende jetzt
Legebatterien ein Ende gemacht. Das haben Sie nicht geschafft.
FUNKE: Ich habe auch dafür gekämpft. Aber Künast will einen nationalen Alleingang. Das halte ich für falsch. Wenn wir die neue Verordnung umsetzen, wird keine Henne weniger in diesen Batterien gehalten. Die Ställe werden in Holland wieder aufgebaut, und dann kommen die Eier zu uns rein.
Politiker wie Karl-Heinz Funke sind zerfressen von Angst, Opportunismus, Perspektivlosigkeit, aber sie repräsentieren eindeutig die Mehrheit. Zumindest in den großen Parteien. Dennoch steigt die Chance für die Agrarwende, wenn sie von unten erzwungen wird.
Die dritte Phase jeder Veränderung hat immer auch amüsante Aspekte. Die Letzten können meist gar nicht schnell genug umsteigen und behaupten steif und fest, sie seien schon immer für die ökologische Landwirtschaft gewesen. Wir werden es erleben.
Ohne politische Visionen wird der Großteil der Bauern für die Agrarwende nicht zu gewinnen sein. Dazu gehört selbstverständlich auch, dass sich ökologische Landwirtschaft rechnet: Eine zeitgemäße Landwirtschaft hat eine ökonomische, ökologische und soziale Dimension:
• Eine aus ökologischer Sicht nachhaltige Landwirtschaft im großen Stil wird es nur geben, wenn sich die ökologische Arbeit auch ökonomisch und sozial realisieren lässt.
• Eine aus ökonomischer Sicht nachhaltige Landwirtschaft wird nur möglich, wenn sie auch ökologisch und sozial gestaltet werden kann.
• Und aus sozialer Sicht ist nachhaltige Landwirtschaft nur dann zeitgemäß, wenn sie auch ökologisch vertretbar und ökonomisch interessant ist.
Die Bundesregierung veröffentlicht jährlich im Sommer einen »Bericht zur Lage der Landwirtschaft«. Einige Male in den letzten Jahren war der ökologische Landbau ökonomisch erfolgreicher als die konventionelle Landwirtschaft. Vom österreichischen und schweizer Vorbild kann Deutschland lernen, wie finanzielle Anreize die Umstellung sinnvoll beschleunigen können. Ökologisch wirtschaftende Bauern müssen in die Lage versetzt werden, neben der Produktion gesunder Lebensmittel die Landschaft zu pflegen, die Naturräume zu erhalten, Umweltschutzund Tierschutzbestimmungen zu beachten und einen Beitrag zur kulturellen und spirituellen Vitalität im ländlichen Raum zu leisten. Wer ökologisch wirtschaftet, hat sein Geld verdient. Und erinnern wir uns an die Einsicht von Virginia Woolf:
»Man kann weder gut denken,
noch gut lieben,
noch gut schlafen,
wenn man nicht gut gegessen hat.«
2. Ist die Agrarwende finanzierbar?
Beinahe jedes Kind in Deutschland weiß heutzutage, dass Landwirte hoch subventioniert sind. Dass die Atomkraft und die Kohleenergie viel höher subventioniert wurden, wissen die wenigsten.
Tatsächlich gibt die Europäische Union etwa die Hälfte ihres Haushalts für die heutige Landwirtschaft aus, etwa 60 Milliarden Mark jährlich. Bei den Bauern direkt kommt aber nur ein Drittel dieser Subventionen an. Die zwei Drittel der Subventionen, die nicht bei den Bauern ankommen, sind Kosten, die durch eine verfehlte Landwirtschaftspolitik verursacht werden. Der oft zitierte Satz »Heute wird nicht in der Landwirtschaft, sondern an der Landwirtschaft verdient«, ist richtig. Bauern haben unterdurchschnittliche Einkommen, aber überdurchschnittlich lange und unregelmäßige Arbeitszeiten.
Für die faire Bewertung der bäuerlichen Leistungen ist jedoch eine andere Überlegung wesentlich. Die gesamtgesellschaftliche Leistung der Landschaftspflege wird bisher von niemand bezahlt. Etwa 2,5 Prozent der Menschen in Deutschland pflegen die Landschaft - kostenlos - und 100 Prozent erfreuen sich daran - ebenfalls kostenlos. Diese von uns allen als selbstverständlich betrachtete Arbeit muss denen, die diese Arbeit leisten, künftig vergütet werden über faire Preise für die landwirtschaftlichen Produkte oder über Steuern für die Allgemeinheit.
Eine Studie im Auftrag der bayerischen Landesregierung aus dem Jahr 1991 (»Quantifizierung der Umweltleistungen der bäuerlichen Landwirtschaft«) hat versucht, den objektiven Wert der bäuerlichen Leistungen zu messen. Ökonomisch berechnet wurden zum Beispiel die Leistungen, welche die Landwirte für Naherholung, Gesundheit, Sozialhilfe und für die Ökosysteme erbringen.
Das interessante Ergebnis: Die indirekt agrarischen Leistungen der Bauern sind etwa genauso hoch wie die rein agrarischen. In Bayern waren das 1991 jeweils rund sieben Milliarden Mark. Im selben Jahr
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