Agrippina - Kaiserin von Rom
und dem Rat der Väter wieder die Rechte zurückgeben, die er einst einbüßte. Euch aber, stolze Soldaten Roms, nehme ich zu Zeugen: Ich habe dieses Amt, das mir die Götter in den Schoß gelegt haben, nicht verdient, weder durch meine Geburt noch durch Adoption. Aber umso mehr werde ich bemüht sein, nichts anderes als das Wohl und den Aufstieg Roms im Auge zu haben, und ihr, Treueste der Treuen, ihr werdet dabei an meiner Seite stehen!«
Mehr braucht der junge Kaiser nicht zu sagen. Der gewaltige Beifall, der den Kasernenplatz füllt, zeigt, dass er – wohl eher sein Berater Seneca – die richtigen Worte gefunden hat. Aber der junge Kaiser ist noch nicht am Ende.
»Wie es mein Vater getan hat, so will auch ich eure Treue mit einem kleinen Antrittsgeschenk belohnen. Jeder Mann wird aus meiner persönlichen Kasse fünfzehntausend Sesterzen erhalten, denn ich mag hinter der Großzügigkeit meines verehrten Vaters nicht zurückstehen. Dazu kostenlose Getreidezuteilungen für meine Gardisten. Außerdem gründe ich in Antium eine Kolonie, die die Veteranen meiner Garde aufnehmen wird. Auch nach Ende des Dienstes werde ich keinen von euch vergessen!« Weiter kommt Nero nicht, denn der Jubel der Soldaten kennt keine Grenzen.
»Er zahlt genauso viel wie der Alte«, ruft Valerius seinem Freund zu. »Der hat damals auch fünfzehntausend gegeben, ich erinnere mich genau.«
»Er hat auch allen Grund dazu, der Vatermörder«, raunt Gaius zornig.
In diesem Augenblick kehrt gespenstische Ruhe ein. Nur das Schnaufen der durchnässten Pferde ist zu hören. Sekunden später erfüllt ein gleichmäßiger Chor von fünftausend Stimmen den Hof: »Es schwören aber die Soldaten, dass sie alles entschlossen ausführen werden, was der Kaiser befehlen wird, dass sie niemals den Dienst verlassen und den Tod für den römischen Staat nicht scheuen werden ...« Die Garde legt ihren Eid auf den neuen Kaiser ab.
***
Irgendwann hatte der Schlaf die beiden Männer übermannt. Die lange und beschwerliche Reise forderte ihren Tribut. Valerius erwachte, weil sich nägelbeschlagene Sohlen seiner Zelle näherten. Einen Augenblick später wurde die Tür aufgerissen. In der Tür standen zwei Prätorianer und zwischen ihnen, verschlagen grinsend – Tullius Torquatus Niger.
Wortlos starrte Valerius ihn an. Der kaiserliche Geheimagent schien die Überraschung des Gefangenen zu genießen. »Bringt den Mann zum Verhör!«, befahl er den Wachen. Die Soldaten packten den Tribun und zerrten ihn aus seiner Zelle. Sie schleppten ihn eine Treppe hinauf in einen schmucklosen Raum, dessen Fenster auf den Kasernenhof zeigten. Valerius kannte den Raum nur zu gut. Hier wurden die morgendlichen Stabsbesprechungen mit dem Präfekten abgehalten. An seinem Schreibtisch saß nun der Freigelassene Pallas. Tullius Torquatus Niger stellte sich neben ihn und spielte mit einem kleinen, kunstvoll verzierten Dolch. Für einen Augenblick herrschte zwischen den Männern Schweigen und das gab Valerius die Gelegenheit, seinen Gegenspieler genauer zu betrachten.
Tullius Torquatus Niger konnte nach allgemeinen Maßstäben nicht als schön gelten, aber sein Gesicht hatte etwas sehr Ebenmäßiges. Seine Züge boten ein fast klassisches Profil, wie es die Bildhauer gerne nachbilden, wenn sie griechische Gottheiten modellieren – wäre da nicht die Narbe gewesen, die sich vom Kinn bis zumlinken Ohr rötlich dahinzog und seinem Gesicht etwas Dämonisches verlieh. Die schmalen, harten Lippen seines Mundes drückten Entschlossenheit aus, und die blassblauen Augen konnte man nur kalt nennen. Fasziniert betrachtete Valerius die schmalen Hände des Mannes. Es hätten Frauenhände sein können, die da mit dem Dolch herumspielten, so zart wirkten sie.
Pallas unterbrach die stillen Betrachtungen des Tribuns. Er wies auf den Stuhl vor seinem Tisch und zischte: »Setz dich, Tribun! Du hast uns große Schwierigkeiten bereitet.«
»Ich habe versucht, die Ermordung des Cäsars zu verhindern, wie es mein Auftrag war, aber leider kam ich zu spät.«
»Schweig, du Narr!« Der Schwarze funkelte Valerius zornig an. »Was weißt du schon! Ermordung? Pah! Bei den Göttern, du weißt nichts, du kleines Licht! Es geht hier um etwas Größeres, etwas, das sich eine kleine Tribunenseele wie du gar nicht vorstellen kann.«
»Und was sollte das sein?«, gab Valerius ungerührt zurück.
»Es ging darum«, bemühte sich Pallas um einen sachlichen Ton, »den jungen Cäsar seiner Bestimmung zuzuführen,
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