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Agrippina - Kaiserin von Rom

Agrippina - Kaiserin von Rom

Titel: Agrippina - Kaiserin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf D. Sabel
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Dolchen hin- und herfährt. Worte kann der rasselnde Atem nicht mehr formen. Längst ist der Kaiser in die Vorhalle des Todes geglitten, und er weiß es. Mit einem Tuch trocknet die Augusta die schweißnasse Stirn des Gatten.
    » Bald hast du es geschafft, mein lieber Gemahl ...« Behutsam nimmt sie einen in Henna getauchten Stift und zeichnet ein blutrotes N auf die Stirn des Sterbenden. »Mögen die anderen glauben, dieser Buchstabe stehe für Nefarius – für mich steht er für Nero. Er wird dir in deinem Amt nachfolgen, und er wird der beste Herrscher sein, den das Imperium jemals gesehen hat! Dafür mussten wir ein kleines Opfer bringen, mein lieber närrischer Gemahl. Aber ich sehe, du warst dafür bereit!«
    Sie blickt sich um. Leer und kalt ist es hier. »Kaiser sterben einsam!«, murmelt sie und schließt mit einem kräftigen Druck ihrer Finger die Augen ihres Gatten, die sich ein letztes Mal schreckensweit geöffnet haben.
    Der Prätorianerpräfekt Burrus hat auf Weisung der Augusta alle Eingänge des Palastes sperren lassen. Agrippina sitzt in ihrem Zimmer und hält Britannicus fest umschlungen, als sei sie außer sich vor Schmerz. Über das blasse Gesicht des Prinzen rinnen die Tränen wie aus einem Sturzbach.
    »Noch lebt er doch, mein lieber Sohn ... Wir werden einige Komödianten kommen lassen, das wird ihn aufheitern.« Wortlos nickt der junge Prinz.
    Im ganzen Palast wird noch für die Genesung des Toten gebetet, während Burrus mit den Tribunen seiner Garde bereits über die Nachfolge berät. »Nur für den Fall, dass unser göttlicher Cäsar doch noch sterben sollte«, betont er nachdrücklich. Die Männer nicken ernst. Die Bedeutung der Situation ist ihnen klar. Gleichzeitig tagt der Senat von Rom. Die würdigen Senatoren, die Consuln , die Priester, sie alle tun Gelübde für das Leben des Princeps , der doch längst mit Tüchern und Umschlägen bedeckt auf seinem Totenbett liegt. Auf den Straßen versammelt sich das Volk. Gerüchte haben schnell ihren Weg in die Stadt gefunden: Der Kaiser liegt im Sterben! Frauen schluchzen und heben die Hände zum Himmel, Männer murmeln Genesungsgebete. Tagediebe und Beutelschneiderflitzen durch die schweigende Menge und freuen sich über das unerwartete Geschäft. Eine Stadt hält den Atem an.
    Dann, am 13. Oktober des Jahres 54 n. Chr. zur Mittagszeit, werden plötzlich die Tore des Palastes geöffnet. Der Platz vor dem Palast ist durch die Garde weiträumig abgesperrt. Der siebzehnjährige Nero tritt in Begleitung des Präfekten Burrus vor die Garde und wird jubelnd empfangen.
    » Imperator mortuus est, vivat Imperator – Der Kaiser ist tot, es lebe der Kaiser!« Die Menschen drängen nach vorne, jeder will einen Blick auf den jungen Regenten werfen. Nur mit Mühe gelingt es der Garde, die rasende Menge zurückzuhalten.
    »Aber müsste nicht eigentlich Britannicus auf dem Thron sitzen?«, meint einer der Gardisten und blickt seinen Nachbarn unsicher an.
    »Dummkopf!«, sagt der. »Du siehst doch, dass Lucius Ahenobarbus Nero da vorne steht. Britannicus ist noch zu jung. Die Augusta wird schon wissen, was sie tut. Und sicher hat es auch der göttliche Claudius so gewollt.«
    ***
    Das Geschiebe und Gedränge wird immer schlimmer. Die beiden Männer haben ihre Pferde am Eingang der Stadt in einem Mietstall zurückgelassen. Auch ihnen war es verboten, durch die Stadt zu reiten.
    »Wir gehen direkt zum Palatinus «, sagt Valerius, und Gaius nickt.
    »Die Menschen hier scheinen das gleiche Ziel zu haben«, meint er.
    »He du! Was ist denn hier los? Wo wollt ihr alle hin?«
    Der Angesprochene, ein junger Plebejer in einem grauen Stoffmantel, lacht. »Habt ihr es noch nicht gehört? Wo kommt ihr denn her?«
    »Gehört? Was denn? Sprich, Mann!«
    »Der Kaiser! Unser göttlicher Cäsar liegt im Sterben. Wir sind alle auf dem Weg zum Palast. Wir werden für ihn beten!«
    Valerius und Gaius sehen sich schweigend an. Sie sind zu spät gekommen.
    Ein altes Weib ergänzt mit krächzender Stimme: »Die Götter haben es so gewollt.« Mit ihren gichtigen Fingern deutet sie auf den wolkenverhangenen Himmel. »Der Komet hat den Weg gewiesen. Und habt ihr nicht gehört, dass gestern ein Blitz in das Grabmal seines Vaters Drusus einschlug? Und sind nicht in diesem Jahr schon viele Beamte des Magistrats gestorben? Das sind die Vorzeichen des Todes. Niemand wird ihn mehr retten können!« Und ein Dicker in der Tracht der Bäcker fügt mit hochrotem Gesicht hinzu: »Auf dem

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