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Agrippina - Kaiserin von Rom

Agrippina - Kaiserin von Rom

Titel: Agrippina - Kaiserin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf D. Sabel
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Giebel des Capitols hat sich ein Bienenschwarm eingenistet, wann hat es das je gegeben?« Ein Dritter, seinen Händen nach ein Färber, erklärt mit wichtiger Miene: »Das Tor des Jupitertempels hat sich von ganz allein geöffnet, das ist ein schlimmes Zeichen!« »Manche Neugeborenen haben beide Geschlechter«, weiß die Alte mit den gichtigen Fingern noch und wird von einer pockennarbigen Frau unterbrochen, die das Gespräch interessiert verfolgt hat: »Die Sau unseres Nachbarn hat ein Ferkel mit Habichtskrallen geworfen!«
    Aber schon drängt die Masse weiter, und den beiden Männern bleibt gar nichts anderes übrig, als sich von der wogenden Volksmenge mitreißen zu lassen. Sie strömt über den breiten Vicus Iugarius , am Capitolium vorbei, auf dessen Stufen hysterisch schreiende Menschen stehen und den Segen der Götter erflehen. Ganz Rom scheint auf den Beinen zu sein – ein Auflauf, wie ihn die beiden Tribunen noch nie erlebt haben.
    »Wir müssen raus aus diesem Chaos!«, keucht Valerius.
    »Hier, die kleine Gasse. Jetzt oder nie!«, ruft Gaius und winkt seinem Freund über die Köpfe der Menschen zu. Mit aller Kraft stemmen sie sich gegen den Sog und finden endlich in einer kleinen Seitenstraße Zuflucht.
    »Wohin führt diese Gasse?« Schwer atmend lehnt sich Valerius gegen eine Mauer.
    »Keine Ahnung! Wir werden es ausprobieren müssen.«
    Und sie haben Glück! Die Gasse führt steil und beschwerlich zum Hügel des Palatin hinauf. Schon nach wenigen Minuten überqueren die beiden Männer den Vicus Tuscus und sehen die Rückseite des kaiserlichen Palastes, die aber wie das gesamte Gebäude von einem dichten Prätorianer-Kordon abgesperrt ist. Noch hatdie Menschenmenge diesen Weg nicht entdeckt, und der Weg scheint frei.
    »Halt! Wer da?«, ertönt die Stimme des kommandierenden Tribuns laut.
    »Julius! Julius Pollio! Bist du es wirklich?« Valerius hat einen seiner Kameraden erkannt und geht freudestrahlend auf ihn zu.
    »Marcus? Marcus Valerius Aviola?« Das Gesicht des Tribunen verfinstert sich.
    »Nehmt diese Männer fest! Auf der Stelle!«
    »Aber Julius! Du kennst mich doch. Wir haben doch zusammen ...«
    »Eben, mein Freund! Weil ich dich kenne, lasse ich dich festnehmen. So lautet mein Befehl. Wer ist dein Begleiter?«
    »Gaius Tullius Eximius. Militärtribun von der 16. gallischen Legion«, antwortet Gaius knapp.
    »Ebenfalls festnehmen!«
    Sie sind von mehr als zehn Prätorianern umgeben, die mit gezückten Schwertern einen Kreis um sie bilden.
    »Aber ich muss zum Cäsar«, protestiert Valerius, »es geht um Leben und Tod!«
    »Schweig, du Verräter! Schafft sie in die Kaserne, sie stehen unter verschärftem Arrest!«
    »Hier, eine Vollmacht, unterschrieben vom edlen Narcissus im Auftrag des göttlichen Cäsar , nach dieser Vollmacht ...« Valerius sucht unter seinem Umhang nach der Diploma .
    »Du Narr«, lacht Julius Pollio, »die wird dir nichts mehr nützen. Sie taugt höchstens noch zum Anzünden von Öllämpchen. Führt sie ab!«
    Die Soldaten entwaffnen die beiden Tribune, und eine Decurie führt sie ab. Einen Augenblick denkt Valerius daran, sich mit seiner Waffe den Weg freizumachen, aber dann lässt er wie Gaius das Schwert sinken. Gegen seine eigenen Kameraden zu kämpfen, das kann er nicht, es wäre angesichts der Übermacht auch zwecklos. Die Männer werden auf Seitenstraßen schnell den Palatin hinuntergeführt. Mittlerweile hat ein feiner Nieselregen eingesetzt, der die beiden Freunde trotz ihrer Seemäntel, die sie immer noch tragen, schnell durchnässt. Sie steigen den Collis Viminalis hinaufund gelangen auf den Vicus Patricius . Hier kommen ihnen einige schwankende Sänften entgegen, deren patrizische Besitzer sich schleunigst auf den Weg zum Palatin machen, um nur ja nichts von der neuesten Entwicklung zu verpassen. Wer weiß, vielleicht kann man ja jetzt schon einem neuen Kaiser huldigen ... Durch die Porta Principalis sinistra betreten sie das Prätorianerlager. Zwei junge Soldaten, die Valerius nicht kennt, durchsuchen die Gefangenen gründlich und nehmen ihnen alles ab, unter anderem auch den merklich ausgedünnten Geldbeutel, den die Augusta Valerius zu Beginn seiner Mission ausgehändigt hat, und seine Diploma . Man bringt die Tribune in nebeneinander liegenden Arrestzellen unter, die sich im vorderen Teil des quadratisch angelegten Lagers befinden. Ein winziges vergittertes Fenster gewährt einen Blick auf den leeren dunklen Kasernenhof. Valerius kennt diesen

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