Agrippina - Kaiserin von Rom
ich nicht verstehe, aber eines, was ich zu gerne wüsste. Warum gab mir die Augusta einen Auftrag, um mich dann wenig später mit allen Mitteln daran zu hindern, ihn auszuführen? Der erste Anschlag auf mein Leben fand schon kurz nach dem Gespräch hier in Rom statt, die weiteren folgten, wo immer ich mich aufhielt.«
»Wie du weißt«, antwortete Pallas und betrachtete dabei seine Fingernägel, »hat Burrus selbst dich empfohlen, denn er hielt dich für einen ehrenwerten Soldaten. Konnte er ahnen, dass du dir deinen Kopf mit wirren Gerüchten füllen lässt? Von Anschlägen weiß ich nichts. Wahrscheinlich handelte es sich um die normalen Überfälle, wie sie hier in Rom und auch in den Provinzen leider an der Tagesordnung sind. Da gibt es noch viel zu tun. Ich bin sicher, der neue Cäsar wird sich auch darum kümmern. So, ich denke, für den Augenblick sind wir fertig.« Er erhob sich und würdigte den Tribun keines Blickes mehr.
»Wache! Führt den Tribun in seine Zelle!«
XXIII.
Die Schlange auf dem Kaiserthron
Vier Tage später brachte man Valerius in einer geschlossenen Sänfte auf den Palatin. Es regnete wieder in Strömen, und selbst die Vorhänge konnten die Nässe nicht abhalten. Zum ersten Mal seit Tagen trug Valerius wieder eine Uniform, allerdings nicht die eines Prätorianer-, sondern die eines Militärtribuns. Dass man ihn aus der Elitegarde ausgeschlossen hatte, schmerzte ihn mehr, als er nach außen zeigte. Durch einen hinteren Eingang gelangten sie zu den privaten Gemächern der Augusta. Die Mutter des neuen Kaisers trug eine hochgeschlossene wollene Tunika und darüber einen dicken Schal. Offenbar fröstelte sie, obwohl der Raum von mehreren Kohlebecken erwärmt wurde. Mit einem dünnlippigen Lächeln begrüßte sie den Tribun und forderte ihn auf, in einem der Korbsessel Platz zu nehmen.
»Lasst uns allein!« Wortlos zogen sich die Wachen zurück. Minutenlang blickte Agrippina den Offizier wortlos an. Sie nippte an einer Schale Wein und zupfte ihren Schal zurecht.
»So sieht man sich wieder, Tribun.«
Valerius’ Mund verzog sich zu einem zynischen Grinsen, aber er antwortete nichts.
»Du lächelst, aber du schweigst. Hat dir unser Wiedersehen die Sprache verschlagen?«
»Was soll ich sagen, edle Augusta? Alles, was zu sagen war, haben mir Pallas und dein trefflicher Agent Tullius Torquatus Niger mitgeteilt.«
»Du magst ihn nicht, nicht wahr?«
»Ich verabscheue ihn!«
»Aber er ist ein fähiger Mann. Sehr fähig. Und alles, was er getan hat, geschah auf meine Anordnung!«
»Dann hast du die Anschläge auf mein Leben befohlen?«
»Ich möchte offen mit dir reden, Marcus Valerius. Hier gibt es keine Zeugen, und was ich dir sage, ist nur für deine Ohren bestimmt.Höre es, vergiss es – und lebe. Du hast Recht! Ich befahl, dich zu töten, doch die launische Fortuna hat meine Pläne mehrfach durchkreuzt.«
»Aber warum? Ich habe nur getan, was du mir befohlen hast.«
»Aber du warst zu gut. Es bestand die Gefahr, dass du mein kleines Geheimnis enthüllen würdest. Mein Gemahl, den die Götter nun zu sich gerufen haben, gab dir den Auftrag, diese Mordserie in Colonia Agrippinensium zu beenden. Also gab ich dir den gleichen Auftrag, damit ich zuerst davon erfahre, was du herausfindest. Aber dein erster Weg führte dich zu Pertinax. Das war gegen unsere Vereinbarung.«
»Stimmt, aber man wollte mich schon umbringen, bevor ich überhaupt in der Ubierstadt ankam.«
»Freilich, Tribun. Wären sie erfolgreich gewesen, hätte ich einen neuen Mann geschickt. Ich, nicht mein Gemahl, verstehst du?« In verblüffender Offenheit fuhr Agrippina fort: »Es kam mir da- rauf an, dass mein Gemahl niemand in die Ubierstadt schickt, ohne dass ich davon weiß. Der Numidierkönig Iugurtha soll einmal gesagt haben: Romae omnia venalia sunt – In Rom ist alles käuflich. Für dich gilt das nicht! Du bist nicht käuflich, also musstest du sterben.«
Sie stand auf und ging zum Fenster. Der Regen prasselte auf den leergefegten Platz, und die Feuchtigkeit schien in den Raum zu kriechen. Agrippina zog den Schal fester um sich und setzte sich wieder.
»Mein Gemahl war krank und nicht mehr in der Lage, das Imperium mit der festen Hand zu regieren, die es erfordert. Mit meinem Sohn Nero stand jemand bereit, der diese feste Hand besitzt. Und mehr als das! Kennst du Vergil?«
Valerius nickte verwundert. »Wer kennt den größten Dichter Roms nicht?«
Lächelnd fuhr Agrippina fort: »Dann kennst du auch jene
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